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Das Land zwischen den Meeren

Das Land zwischen den Meeren

Titel: Das Land zwischen den Meeren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Paredes
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… Nein! Sie durfte nicht gehen! Durfte ihn nicht verlassen. Konnte ihn nicht verlassen. Er hielt ja ihre Papiere unter Verschluss. Seinen letzten Trumpf. Sie würde winseln und flehen und um Gnade bitten. Aber er würde sie zappeln lassen. Und nun, da ihm der Guaro in der Kehle brannte und er sich stark fühlte, würde er tun, was er schon lange hatte tun wollen. Endlich.
    Nun würde er sich nicht mehr an der Nase herumführen lassen, sondern sich nehmen, was ihm zustand. Schließlich hatte er sie gerettet. Als sie so dringend aus Deutschland fortwollte. Vor anderthalb Jahren. Doch warum nur? Warum hatte sie damals fliehen wollen? Weil sie etwas zu verbergen hatte? Aber natürlich … warum war ihm der Gedanke nicht schon früher gekommen? Womöglich war sie gar nicht so tugendhaft, wie sie immer tat. Sondern schämte sich ihrer lasterhaften Vergangenheit, die sie hinter sich lassen wollte.
    Er stellte sich vor, wie ihre Schenkel unter dem Druck seiner Hände nachgaben, und stöhnte auf. Verflixt, wo war denn nur sein Schlüssel? Sie schloss immer die Tür ab, wenn sie sonntags allein war … Er stolperte durch den Verkaufsraum, vorbei an der Ladentheke und geradewegs ins Lager. Sie stand da und blickte ihn unverwandt an. So viel Schönheit und Anmut … Jetzt nur nicht sentimental werden, der Unschuldsengel war nur gespielt. In Wirklichkeit war sie ein hochnäsiges, durchtriebenes Straßenmädchen. Sollte sie ihm doch zeigen, was sie außer dem Addieren von Zahlenkolonnen sonst noch beherrschte! Ob sie ihn auch auf andere Weise zufriedenstellen konnte … Warum sah er sie plötzlich so verschwommen? Auch der Lagerraum wirkte, als seien die Nebel von den Berghöhen der Kordilleren in seinen Laden herabgestiegen. Die züngelnde Flamme in seinem Innern brannte nun lichterloh, wurde heiß und heißer. Mit bebenden Fingern knöpfte er die Hose auf und blickte an sich hinunter. Überrascht. Dankbar.
    »Nicht wahr, da staunst du, das hättest du nicht erwartet, wie? Hier, sieh dir alles in Ruhe an. Wirst du wohl … Du brauchst gar nicht so sittsam zu tun. Du weißt längst Bescheid … Und außerdem willst du es doch auch. Du wolltest es von Anfang an, hab ich recht? Wie, du wehrst dich? Dann wart ab, wer von uns beiden stärker ist. Ja … Widerstand ist zwecklos, merkst du das endlich? Auf die Knie mit dir! Auf die Knie, sag ich! Nun, warum nicht gleich so? Fass ihn an! Du sollst ihn anfassen! Und jetzt dreh den Kopf herum, oder soll ich nachhelfen? Ach, so eine bist du! Magst es auf die harte Tour … Kannst du haben. Hier, ein Besenstiel! Gibt hässliche Striemen auf der Haut, aber die sieht man nicht unter der Kleidung … Und, war das gut? Soll ich noch einmal zuschlagen? Du bringst mich ganz schön in Fahrt … Also gut, wehr dich, zier dich, winde dich … Ich lasse nicht locker. Wie viele dieser dämlichen Unterröcke trägst du denn noch übereinander? Du sollst die Beine breit machen, sonst brech ich dir das Genick! Ah! Verdammt … du dreckige Hure!«
    Dorothea hastete durch die Stadt, ohne nach links oder rechts zu blicken. Einige Passanten blieben stehen und sahen ihr kopfschüttelnd nach, wie sie mit gerafftem Rock über die Pfützen sprang und den Löchern auf der Straße auswich. Ihre Zöpfe hatten sich gelöst und schwangen im Nacken hin und her. Ihre Wangen glühten, das Herz schlug ihr bis zum Hals. In welche Richtung sollte sie laufen? Sie kannte sich in der Stadt doch gar nicht aus. Rechter Hand in der Ferne ragte der Vulkan Irazu auf, also musste sie sich nach links halten, wo sich die Vulkane Poás und Barva erhoben. Beinahe hätte sie zwei Kinder umgerannt, die vor dem Haus mit einem Kreisel spielten. Eine Katze flüchtete in einen Hauseingang, als Dorothea mit wehendem Rock um eine Straßenecke bog.
    Plötzlich vernahm sie hinter sich das Geräusch einer herannahenden Kutsche. Er verfolgte sie also und würde sie im nächsten Moment in den Wagen zerren … In wilder Panik rannte sie weiter. Ihre Fußsohlen brannten. Da hörte sie eine bekannte Stimme. »Wohin so eilig, Fräulein Fassbender? Ich kann Sie doch mitnehmen.«
    Es war der junge Schweizer Urs Keller, der mit seinem Einspänner neben ihr herfuhr. Ihre Schritte wurden langsamer, stolpernd blieb sie stehen, ergriff dankbar die Rechte, die sich ihr entgegenstreckte, und ließ sich auf den Kutschbock helfen. »Schnell weiter!«, presste sie hervor und wagte sich nicht umzudrehen.
    Der Schweizer ließ sein Pferd antraben, und Dorothea

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