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Das Land zwischen den Meeren

Das Land zwischen den Meeren

Titel: Das Land zwischen den Meeren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Paredes
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vom Küchengehilfen über den Gärtner bis zum Kutscher, dessen Dienste Dorothea ab sofort beanspruchen durfte. Danach unternahm er einen Ausritt und war erst zum Nachmittagstee wieder zurück, den er mit Dorothea auf der Veranda einnahm. Sie blickte gedankenverloren in die Tiefe des Parks, wo erst wenige Stunden zuvor ihre Hochzeitsfeier stattgefunden hatte. Die Dienerschaft hatte alle Spuren des Festes beseitigt, und sie ertappte sich bei der Frage, ob die Hochzeit tatsächlich stattgefunden hatte oder ob sie alles nur geträumt hatte.
    »Was ist mit dir, meine Liebe? Du siehst so nachdenklich aus.« Antonio nahm ihre Hand in die seine, die sich warm und sanft anfühlte. Sie wusste nicht, ob sie ihm den wahren Grund nennen und die vergangene Nacht ansprechen sollte. Aber dann zog sie nur ein Stück zusammengefaltetes Papier aus ihrer Rocktasche und reichte es Antonio, der die Zeilen erst erstaunt, dann mit spöttischem Lächeln überflog.
    »Nun, da hat sich jemand einen seltsamen Scherz erlaubt.«
    Dorothea konnte nicht die geringste Verunsicherung in seiner Miene erkennen.
    »Woher hast du diesen Brief?«
    »Er muss aus der Tasche meines Brautkleides gefallen sein. Ich fand ihn gestern auf dem Fußboden in unserem Schlafzimmer. Und nun bin ich … beunruhigt.«
    Antonio lachte leise, streichelte zärtlich über Dorotheas Wange. »Ich gebe zu, es gibt wohl Frauen, die sich insgeheim Hoffnungen gemacht haben, mit mir vor den Traualtar zu treten. Nun, da ich mich für dich entschieden habe, machen sie ihrer Enttäuschung Luft. Du darfst das nicht so ernst nehmen.«
    »Meinst du wirklich?«, fragte sie und wünschte sich, Antonio möge nie aufhören, ihre Wange zu streicheln.
    »Ganz sicher. Wir Costaricaner neigen manchmal zur Heißblütigkeit – das gilt für Männer wie für Frauen.« Antonio nahm das Papier, riss es in winzig kleine Stücke und warf diese in die Luft. »Und jetzt wünsche ich mir, dass meine hübsche junge Frau lächelt. Ich mag sie nicht mit traurigem Gesicht sehen.«
    An diesem Abend wiederholte sich die Zeremonie der Hochzeitsnacht, und an den folgenden Abenden war es nicht anders. Antonio kam erst nach seiner Frau ins Schlafzimmer, zog im Dunkeln sein Nachthemd an und schlief binnen Sekunden tief und fest. Und am Morgen, wenn Dorothea wach wurde, war er schon aufgestanden. Was mache ich nur falsch?, fragte sie sich verzweifelt. Warum ist Antonio tagsüber der liebenswürdige und aufmerksame Ehemann und nachts ein Felsbrocken? Sie wusste keine Antwort. Erinnerungen an leidenschaftliche Umarmungen und Stunden vollkommenen Glücks, die sie in einer Kölner Dachkammer erlebt hatte, loderten in ihr auf. Vor langer Zeit, in einem anderen Leben. Gleichzeitig schämte sie sich, weil sie immer noch an Alexander dachte, während sie inzwischen doch glücklich verheiratet war.
    Viele Stunden verbrachte sie allein und grübelnd, während Antonio Ausritte unternahm oder sich um die Geschäfte kümmerte. Dorothea verspürte kaum noch Appetit, fühlte sich ohnmächtig und klein. Eines Nachmittags bat sie Antonio, mit ihr durch die Plantage zu einer Bank zu gehen, die ihr schon beim ersten Besuch auf der Hacienda Margarita aufgefallen war. Sie lag ein wenig erhöht unter einem mächtigen Kalebassenbaum. Von dort hatte man einen herrlichen Weitblick auf die grün bewachsenen Felder.
    »Sag ganz ehrlich, Antonio, gefalle ich dir?«, fragte sie unvermittelt, und es klang herausfordernder, als sie gewollt hatte.
    Antonio konnte sein Erstaunen nicht verbergen. »Aber natürlich, sonst hätte ich dich doch nicht geheiratet. Wie kannst du so etwas fragen?«
    »Ich bin mir nicht ganz sicher«, antwortete sie vorsichtig. »Doch ich habe das Gefühl, etwas steht zwischen uns. Etwas, das nicht zwischen zwei Menschen stehen dürfte, die sich lieben, begehren und eines Tages … Kinder haben wollen.«
    Antonio blickte verlegen zur Seite. »Ach, das ist es also. Weißt du …« Er stockte, suchte nach Worten. »Die meisten halten mich für einen Frauenhelden. Aber ich bin nicht so. Ich bin kein Draufgänger. Bitte, Dorothea, lass mir noch etwas Zeit, damit ich mich an die neue Situation gewöhnen kann.«
    Dorothea schluckte, war anfangs verwirrt, dann gerührt. Also war ihr Mann lediglich schüchtern, und es war ihre Aufgabe, ihn aus der Reserve zu locken. Doch bevor sie damit anfing, musste sie etwas loswerden, das sie Antonio bisher verschwiegen hatte, weil sie ihn nicht mit ihrem Kummer belasten wollte. Nachdem er

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