Das Land zwischen den Meeren
können. Pedro erinnerte in launigen Worten an seine eigene Hochzeit, die einige der älteren Gäste miterlebt hatten.
»Wisst ihr noch, wie ein Gewitter hereinbrach und die Zeltplane riss, als wir gerade die Hochzeitstorte anschneiden wollten? Für den heutigen Tag indes habe ich ein Abkommen mit Petrus getroffen. Es wird kein einziger Tropfen vom Himmel fallen.«
Dorothea merkte, wie ihre anfängliche Anspannung ganz allmählich nachließ. Und auch Antonio wirkte heiter, nahezu ausgelassen. Es hatte nicht erst der neidvollen Blicke der Frauen fast sämtlicher Altersklassen bedurft, um ihr klarzumachen, dass neben ihr der wohl bestaussehende Mann weit und breit saß. Von seinem zu erwartenden Erbe ganz abgesehen. Sie hatte sich dazu entschlossen, das Unfassbare als Realität anzunehmen und sich dieser Gunst des Schicksals als würdig und dankbar zu erweisen. Doch zunächst einmal wollte sie das Fest genießen.
Eine Vielzahl von Dienstmädchen tischte das Hochzeitsmahl auf. Zur Feier des Tages trugen sie statt einer weißen Haube eine Kopfbedeckung in den Landesfarben. Isabel hatte mehrere Köche einbestellt, die ihr ganzes Können z eigten. Es gab Gemüse- und Linsensuppe, gebackenes Huhn mit Tomaten- und Zwiebelgemüse, in Bananenblättern gedünsteten Wolfsbarsch, Reis mit Meeresfrüchten, Rindfleischtopf in Kokosmilch, sautierte Palmenherzen, knusprig gebackene Kochbananen, süße und herzhafte Tortillas, mit Hackfleisch gefüllte Teigtaschen, Kokos- und Ananaskuchen sowie frische Früchte. Dazu tranken die Frauen Wasser, mit ein wenig Weißwein vermischt, während die Männer argentinischen Rotwein oder schottischen Whisky bevorzugten, letzteren mit mehr oder weniger Wasser verdünnt.
Zwischen den einzelnen Gängen unterhielten die Musikanten die Gäste mit rhythmischen Klängen auf der Marimba, einem Instrument ähnlich einem Xylophon. Zeitweilig spielten drei Musiker an einem Instrument, dann wieder ein einziger, der mit jeweils zwei Schlegeln in jeder Hand virtuos die Holzstäbe schlug. Entgegen Isabels Befürchtungen fiel kein einziger Tropfen Regen. Nachdem der Nachtisch verzehrt war, zerstreuten sich die Gäste im Garten, der nach dem Vorbild eines englischen Parks angelegt war. Mit weiten Rasenflächen, gewundenen Wegen, einem antiken Tempel und einem Teich.
Die Kinder waren sichtlich erleichtert, als das offizielle Programm beendet war und sie unter den kritischen Blicken der Erwachsenen nicht länger still sitzen mussten. Wortführer waren die drei Söhne von Isabels Nichte Rosa, die alle das rundliche Gesicht und die durchdringende Stimme ihrer Mutter geerbt hatten. Lautstark tobten die Kinder durch den Park, liefen um die Wette, balgten sich im Gras oder spielten Blindekuh. Einige Jungen falteten aus den Tischkarten kleine Boote und ließen sie den Bach hinunterschwimmen, nicht ohne dabei zu versuchen, sich gegenseitig ins Wasser zu schubsen.
Die Erwachsenen teilten sich rasch in zwei Gruppen. Die Herren standen beieinander, in der einen Hand das Glas, in der anderen die Zigarre. Die Damen bildeten ihren eigenen Zirkel, machten sich gegenseitig Komplimente für ihre Kleider, lobten die zu Herzen gehende Trauungszeremonie und das elegante Brautpaar, die exquisite Tischdekoration und die Mutter des Bräutigams für die hervorragende Zusammenstellung des Hochzeitsmenüs. So schmal und zerbrechlich sie in ihrem lindgrünen Seidenkleid mit spitzenbesetztem Rock wirkte, so sehr schien Isabel das Lob zu stärken.
Nach anfänglichem Zögern wagten die Frauen, das Wort an Dorothea zu richten. Sie fragten nach ihrer Zeit in Deutschland, warum sie nach Costa Rica gekommen war und ob es nicht schrecklich sei, ungezogenen Kindern Unterricht zu erteilen. Dorothea antwortete in knappen und verbindlichen Worten, wobei sie ihre Zeit bei Jensen unterschlug und mit lebhaften Worten von den lernwilligen und aufmerksamen Schülern in der Siedlerschule schwärmte. Dabei überraschte sie die Frauen mit ihrer nahezu akzentfreien Aussprache. Vor allem aber wollten die Damen erfahren, wie und wo sie Antonio kennengelernt hatte. Isabel ergriff das Wort und erzählte mit lebhafter Gestik die Geschichte der Rettungsaktion vor dem Schusterladen in Alajuela und konnte die Entschlossenheit und den Mut ihrer Schwiegertochter gar nicht genug rühmen.
»Aber wie haben ausgerechnet Sie als Zugereiste es geschafft, sich den begehrtesten Junggesellen des Landes zu angeln?«, fragte eine füllige schwarzhaarige Frau in einem roten
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