Das Land zwischen den Meeren
sein. Es gibt noch vieles vorzubereiten, bis das Kind kommt.«
»Mach dir deswegen keine Gedanken, Dorothea. Ich kümmere mich darum. Ihr könnt die Wiege nehmen, in der Antonio als Säugling gelegen hat. Ich habe auch schon eine Amme gefunden. Es ist die jüngere Schwester unserer Köchin. Sie hat vor zwei Wochen ihr drittes Kind bekommen. Und irgendwann später werden wir ein Kinderzimmer auf eurer Etage herrichten.«
Dorothea war überrascht. Niemand hatte sich nach ihren Wünschen erkundigt, alles war schon vorbereitet. Aber vermutlich war dies so Sitte in diesem Land. »Danke, Schwiegermutter. Antonios Wiege … diese Vorstellung gefällt mir sehr gut.«
Dorothea genoss die wiedergewonnene Freiheit und spazierte täglich mehrere Stunden lang durch die Kaffeefelder, plauderte mit dem Gärtner, machte Skizzen von der Mühle und dem Wasserturm und schrieb lange Briefe an Elisabeth und ihre Patentante in Köln, die mittlerweile ein zweites Mal geheiratet hatte. Einen ehemaligen Schulfreund, der ebenfalls verwitwet war und eine Schneiderwerkstatt besaß. Nun musste Katharina nicht mehr so hart arbeiten wie früher, um ihren Unterhalt zu verdienen. Dorothea freute sich über das neue Glück und beschloss, einen Wandteppich mit den farbenprächtigsten Vögeln des costaricanischen Dschungels als Hochzeitsgeschenk nach Köln zu schicken.
In ihrem letzten Brief berichtete Katharina unter anderem, Sibylla Fassbender habe einer Bekannten erzählt, ihre Tochter Dorothea sei verheiratet und mit ihrem Ehemann nach Süddeutschland gezogen. Erst war Dorothea überrascht, dann wütend und traurig zugleich. Doch sie beschloss, sich keine weiteren Gedanken darüber zu machen, warum die Mutter solche Märchen erzählte. Sie konnte ohnehin nichts mehr ändern. Vielmehr wollte sie sich auf ein baldiges Wiedersehen mit Elisabeth freuen. Die Freundin würde zur Tauffeier auf die Hacienda Margarita kommen und die Patenschaft für das Neugeborene übernehmen.
Johanna Miller hatte Dorothea schon Monate zuvor eine Einladung zum Tee geschickt, die sie aber wegen ihrer geschwächten Gesundheit nicht hatte annehmen können. Nach den Wochen der Untätigkeit und Isolation im ehelichen Schlafzimmer hatte Dorothea das Bedürfnis nach Zerstreuung und einer unbeschwerten Plauderei mit einer alten Bekannten. Antonio ließ sie mit dem Kutscher davonfahren. Allerdings erst nachdem sie ihn davon überzeugt hatte, dass sie sich so stark fühlte wie zu keinem anderen Zeitpunkt ihrer Schwangerschaft und der Arzt keinerlei Bedenken gegen einen kleinen Ausflug geäußert hatte.
»Sie sehen blendend aus, Kindchen. Der Bauch steht Ihnen. Und wie Ihre Augen glänzen … Kein Wunder bei einem so unverschämt gut aussehenden und charismatischen Mann. Ich habe während Ihrer wunderbaren Hochzeitsfeier aus vielen Gesprächen herausgehört, wie sehr die Damenwelt Sie beneidet. Sie müssen sehr glücklich sein.«
»Ja, das bin ich, Señora Miller. Ich könnte mir keinen aufmerksameren Ehemann vorstellen. Hm, wie lange habe ich keinen Earl Grey mehr getrunken … köstlich.«
Johanna Miller reichte ihr den Teller mit dem Früchtebrot, und Dorothea ließ sich die süße Köstlichkeit schmecken.
»Wissen Sie schon das Neuste? Ihr ehemaliger Dienstherr, dieser Halunke von Jensen, hat sein Geschäft verkauft. Man munkelt, er habe in betrunkenem Zustand einen Kneipengast niedergestochen und sei nach Deutschland zurückgekehrt. Nun ja, sympathisch war er mir nie. Aber woher bekomme ich jetzt mein Kölnisch Wasser? Ich habe die letzten Vorräte bei ihm aufgekauft.«
Unwillkürlich musste Dorothea lachen. Johanna Miller und ihr Faible für dieses Parfum …Gleichzeitig fiel eine Bürde von ihr ab, die wohl immer noch auf ihr gelastet hatte, ohne dass sie sich dessen bewusst gewesen war. Jensen war außer Landes, und er stellte keine Gefahr mehr für sie dar. Dieses zwar lehrreiche, aber wenig erfreuliche Kapitel ihrer ersten Zeit in Costa Rica war damit vollständig abgeschlossen.
»Ich soll Sie übrigens von einem Uhrmacher grüßen. Urs Keller heißt er, glaube ich. Mir scheint, der junge Mann hatte sich insgeheim Hoffnungen gemacht. Jedenfalls beobachte ich einen wehmütigen Zug um seinen Mund, sobald er von Ihnen spricht.«
Dorothea musste schmunzeln, als sie an die Besuche des jungen Schweizers in Jensens Laden dachte und an seine liebenswerte, ein wenig unbeholfene Art. Aber jetzt wollte sie mit Johanna Miller noch ein Weilchen klatschen und tratschen und es
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