Das Land zwischen den Meeren
Lippen auf seinen Mund, erst zart, dann heftiger, wollte gar nicht aufhören, seine weichen, warmen Lippen zu küssen. Er seufzte leise auf, erwiderte jeden ihrer Küsse, leidenschaftlich und dankbar, bis Dorothea kaum noch Luft bekam. Sie glaubte vor Glück zu schweben, fühlte sich in seinen Armen sicher und geborgen, empfand tief, wie sehr Antonio sie liebte.
»Wissen Vater und Mutter schon davon?«, fragte er in einer kurzen Atempause.
»Aber nein«, murmelte sie zwischen zwei Küssen. »Ich musste es doch erst dir sagen.«
Er streichelte ihren Hals, ihre Schultern, ließ seine Hände ihren Rücken abwärts wandern bis zu den Hüften und an den Seiten wieder hinauf, bis sie auf Dorotheas Brust verharrten. »Du bist eine wundervolle Frau, Dorothea. Ich liebe dich.«
Pedro und Isabel waren außer sich vor Freunde, als Antonio ihnen die freudige Nachricht überbrachte. »Habt ihr schon einen Namen für unseren künftigen Erben der Hacienda Margarita?«, fragte Isabel ungewöhnlich lebhaft, und ein rosiger Schimmer überzog ihre Wangen.
»Als Erstes braucht der Junge ein Pferd, und wenn er größer ist, bekommt er auch ein Gewehr. Ich werde ihn auf die Jagd mitnehmen. Du konntest dich ja leider nie dafür begeistern, Antonio«, fügte Pedro hinzu, und in seiner Stimme schwang herbe Enttäuschung mit.
Am nächsten Morgen fand Dorothea nach dem Aufwachen ein Smaragdarmband neben sich auf dem Kopfkissen. Jeder der kreisrunden grünen Edelsteine war von mehreren Brillanten umgeben. Sie legte das Geschmeide an, das sich kühl und nachgiebig um ihr Handgelenk schmiegte. Was Schmuck betraf, so hatte Antonio einen exquisiten Geschmack. Sie wollte sich lieber nicht ausmalen, was er für diese Kostbarkeit bezahlt hatte. Sicher ein Vielfaches dessen, was sie als Lehrerin im ganzen Jahr verdient hätte.
»Du verwöhnst mich viel zu sehr«, sagte sie nach dem Frühstück zu ihm und schmiegte sich zärtlich an ihn. »Wann soll ich denn den vielen Schmuck tragen, den du mir schon geschenkt hast?«
»Wann immer du möchtest. Ich liebe es, wenn meine Frau kostbare Dinge trägt. Und sie weiß hoffentlich, wie sehr diese von Herzen kommen.«
»Aber natürlich weiß ich das …« Dorothea lehnte den Kopf gegen seine Schulter und kämpfte gegen die aufsteigende Übelkeit an, doch es half nichts. Blitzschnell leerte sie die silberne Obstschale auf der Esszimmerkommode und übergab sich. Mit weichen Knien schaffte sie es mit Antonios Hilfe in ihr Schlafzimmer, ließ sich aufs Bett fallen und presste die Hände auf den Leib, in dem alles durcheinandergeraten zu sein schien. Antonio zog die Vorhänge zu und strich ihr über die schweißnasse Stirn, ließ sie schlafen und neue Kräfte schöpfen.
Doch ihr Zustand besserte sich keineswegs. Sie fühlte sich so elend und kraftlos wie während des schrecklichen Sturms auf der Kaiser Ferdinand, als sie tagelang in ihrer Koje vor sich hingedämmert hatte. Sie musste sich überwinden, überhaupt etwas zu essen, mochte keine Spaziergänge unternehmen, hatte keine Lust, zu zeichnen, zu lesen oder einen Brief zu schreiben. Doktor Juan Medina Cardenas, langjähriger Hausarzt der Familie, kam täglich zur Visite. Verbot jede Anstrengung und verordnete Tees, die die Blutbildung anregen sollten.
»Essen Sie nichts Grünes und nichts Scharfes, Señora Ramirez. Am besten nur Bananenbrei, gekochtes Hühnchen und süßen Reis. Und trinken Sie jeden Tag ein wenig Rum, so viel, wie in einen Fingerhut passt.«
Ihr Missempfinden blieb, selbst als die ersten vier Monate vorüber waren. Dorothea hatte sich schon darauf gefreut, nach dem Osterfest durch die Plantage zu streifen und sich an dem weißen Blütenmeer und dem Duft der Kaffeesträucher zu erfreuen, der an Jasmin erinnerte. Doch nichts konnte sie ins Freie locken. Bei jedem Bissen, den sie zu sich nahm, wurde ihr übel, und während Arme und Beine immer magerer wurden, rundete sich ihr Bauch. Manchmal spürte sie ein schmerzhaftes Ziehen im Unterleib, als ob sich dort etwas zusammenkrampfte. Worauf der Arzt strikte Bettruhe anordnete und jeglichen Besuch verbot.
Dorothea beklagte sich nicht, dachte immer nur an das Kind, das sie auf keinen Fall verlieren wollte. Erduldete Schwindel, Übelkeit, Schmerzen und Einsamkeit. Doch was sie zurzeit an Entbehrungen auf sich nahm, würde ihr das Schicksal um ein Vielfaches vergelten. In Form von Hingabe und innigen Zärtlichkeiten, die sie von ihrem Mann erfahren würde, wenn das Kind erst einmal in seiner
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