Das Land zwischen den Meeren
Nachwuchs zu rechnen sei, hatte er stets geheimnisvoll gelächelt.
Aber das waren doch unsinnige Überlegungen … Antonio wäre selig! Dessen war sich Dorothea plötzlich ganz sicher. Ihre Ehe würde inniger und glücklicher werden. Wenn er erst einmal seinen Sohn auf dem Arm hielt, wäre er stolz auf die Leistung seiner Frau und verlöre die Scheu vor ihrem Körper. Sie würden im siebten Himmel schweben, und Dorothea fände zu ihrer eigentlichen Bestimmung. Als Ehefrau und Mutter.
Und wenn sie sich nun doch geirrt hatte? Ihre ehelichen Begegnungen hatten nur wenige Male und äußerst hastig stattgefunden. Unter einem Vorwand ließ sie sich in die Stadt bringen und suchte eine Hebamme auf. Die Frau stammte aus England, hatte bärenstarke Arme und lachte laut und dröhnend. Und sie gab Dorothea die Antwort, die sie erhofft hatte. Es stimmte tatsächlich. Sie war guter Hoffnung!
Doch noch durfte niemand von ihrem Zustand wissen. Schließlich sollte Antonio als Erster davon erfahren. Zum Glück waren die Schwiegereltern mit sich selbst beschäftigt und merkten auch bei den gemeinsamen Mahlzeiten nicht, dass Dorothea nur wenig aß. Dieses Unwohlsein würde sicher bald vergehen. Sie musste nur die ersten vier Monate irgendwie überstehen. Das hatte sie aus den Gesprächen zwischen ihrer Mutter und deren Freundinnen in Erinnerung, und sie wünschte sich, diese Zeit möge rasch vorübergehen.
Dorothea saß an ihrem Lieblingsplatz auf der kleinen Anhöhe und blickte über die Felder, auf denen Pflücker und Pflückerinnen ihre geflochtenen Körbe, die sie mit Tüchern in Hüfthöhe befestigt hatten, mit roten Kaffeekirschen füllten. Sie sangen, wirkten trotz der mühsamen Arbeit heiter und unbeschwert. Eine Wesensart, um die Dorothea die Indios beneidete. Alle zehn bis vierzehn Tage zogen sie aufs Neue zwischen den schnurgeraden Reihen der Sträucher hindurch, um die nachgereiften Kirschen einzeln von Hand zu pflücken. Während der Ernte wurde jeder Kaffeebaum mehrere Male abgeerntet.
Plötzlich wurde es vor dem Eingang zur Hacienda laut. Sie hörte das Brüllen von Ochsen und das polternde Herannahen schwerer Karren. Das konnte nur eins bedeuten: Antonio war zurück! Sie sprang auf und lief zur Wassermühle hinunter, vorbei an den Hütten der Pflücker bis zum Pferdestall, wo Antonio gerade von seinem Rappen abstieg. Er sah müde aus.
»Dorothea, mein Liebes, wie geht es dir? Du hast mir gefehlt.« Er klopfte sich den Staub aus der Kleidung und hauchte ihr einen Kuss auf die Wange. Dorothea wollte sich an ihn klammern und ihn innig umarmen, hielt sich jedoch im letzten Moment zurück, denn seine starre, abweisende Haltung verunsicherte sie. Doch dann wurde ihr klar, warum ihr Mann sich mit weiteren Zärtlichkeiten zurückhielt. Einige Stallburschen standen herum und beäugten das Paar neugierig aus der Entfernung. Und diese jungen Männer mussten nicht notwendigerweise Zeugen ehelicher Liebesbezeugungen werden.
»Ich bin froh, dass du wieder da bist, Antonio.« Sie hakte sich bei ihm unter und schritt mit ihm zum Herrenhaus hinüber. Als sie außer Hörweite der Stallburschen waren, zupfte sie ihn am Ärmel. »Komm mit mir zu der Bank unter dem Kalebassenbaum! Ich muss dir etwas mitteilen.«
»Aber wozu die Eile? Ich wollte mich zuerst frisch machen und dann meine Eltern begrüßen.«
»Bitte, Antonio – es ist wichtig. Außerdem sind wir dort oben ungestört.«
Unwillig runzelte Antonio die Stirn, doch Dorothea sah ihn so flehentlich an, bis er schließlich zustimmte. Mit großen und eiligen Schritten stapfte er voraus, sodass sie ihm kaum folgen konnte. Außer Atem ließ sie sich auf der Bank nieder, und Antonio klappte demonstrativ den Deckel seiner Taschenuhr auf, prüfte die Uhrzeit und klappte ihn wieder zu. Dorotheas Vorfreude geriet ins Wanken. Antonios Ungeduld war allzu offensichtlich. Vielleicht war jetzt doch nicht der rechte Zeitpunkt, ihm die Neuigkeit mitzuteilen. Er streckte die Beine aus, kreuzte die Arme vor der Brust, unterdrückte ein Gähnen.
»Ich bin ziemlich müde von der Reise. Was hast du mir zu sagen?«
»Weißt du, es ist nämlich so … ich bin … ich bin schwanger.«
Er brauchte einen Augenblick, um ihre Worte zu begreifen. Wie vom Donner gerührt starrte er sie an, dann ergriff er ihre Hände, küsste sie heiß und innig. »Du bist tatsächlich … Aber das ist ja wunderbar! Bist du dir auch ganz sicher?«
Dorothea nickte und nahm seinen Kopf in die Hände, drückte die
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