Das Land zwischen den Meeren
Wiege läge und sie zusammen eine richtige Familie wären. Verbunden durch das starke Band der Liebe.
Antonio zeigte sich mitfühlend und besorgt und versuchte auf seine Weise, Dorothea aufzuheitern. Einmal schenkte er ihr ein Schultertuch mit einem lebensgroß aufgestickten Tukan, dann einen mit Perlmutt verzierten Fächer oder eine Spieluhr, aus der eine Melodie erklang, die Dorothea an früher erinnerte, als sie das Klavierspielen erlernt hatte. Es war Beethovens a-Moll-Komposition Für Elise .
Eines Abends, als Antonio wie üblich nach ihr zu Bett ging, wurde Dorothea wach. Sie fröstelte, und der Körper neben ihr war warm. Eine plötzliche Sehnsucht, die sich in heftiges Verlangen wandelte, stieg in ihr auf. Sie drehte sich auf die Seite, streckte die Hand aus und fuhr mit den Fingerspitzen über Antonios dichtes, kräftiges Haar. Berührte seine Augenbrauen und küsste die winzigen Leberflecke über seinem linken Mundwinkel, unter dem linken Auge, neben dem rechten Nasenflügel. Selbst in der Dunkelheit fand sie mit sicherem Instinkt die Stellen, die seinem schönen, ebenmäßigen Gesicht einen zusätzlichen Reiz gaben und die sich ganz fest in ihr Gedächtnis eingeprägt hatten.
Antonio ergriff ihre Hand, legte sie auf seine Brust, in der das Herz kraftvoll und gleichmäßig schlug. Dann beugte er sich zu ihr herüber und küsste ihre Schläfen, streichelte ihr Haar. »Jetzt nicht, meine Liebe. Denk an das Kind.«
»Hier, fühl nur!« Dorothea führte seine Hand zu ihrem Leib, der prall und rund war und in dem die Bewegungen des Kindes in der Nacht oft besonders deutlich zu spüren waren. Das erfüllte sie mit Stolz, denn dieses unbekannte Wesen lebte und entwickelte bereits vor seiner Geburt eine ganz eigene Energie. Und dann trat das Kind gegen die Bauchdecke, mehrmals und kräftig. Dorothea lachte leise und antwortete mit einem zärtlichen Streicheln, doch Antonio zog erschrocken die Hand zurück.
»Ich … ich kann jetzt nicht so bei dir sein, wie du es gern hättest. Wir dürfen nichts riskieren. Schließlich hast du schon einmal ein Kind verloren.«
Dorothea versuchte, sich ihre Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. »Unserem Kind geht es gut, das spüre ich. Es ist groß und kräftig. Und damals war ich ganz am Beginn meiner Schwangerschaft.«
»Trotzdem, wir müssen vorsichtig sein. Du bist eine wunderbare Frau, Dorothea, und ich weiß, du wirst auch eine wunderbare Mutter sein. Ich kann es kaum erwarten, meinen Sohn endlich in den Armen zu halten.«
»Und wenn es ein Mädchen wird?«
»Dann wird es hoffentlich genau so hübsch und klug wie seine Mutter. Allerdings sind meine Eltern felsenfest davon überzeugt, einen Enkel zu bekommen.«
Mit einer sanften Bewegung zog Antonio Dorothea zu sich herüber. Leise seufzend legte sie den Kopf auf seine Brust, ihr Ohr über seinem Herzen, das für sie und ihr Kind schlug. Von diesem Gedanken getröstet, schlief sie in seiner Umarmung ein.
Erst hatte Dorothea gar nicht bemerkt, dass sie sich gar nicht mehr schwindelig fühlte, wenn sie sich wusch oder wenn sie für einen Moment auf dem Balkon stand. Und mit einem Mal verspürte sie Lust, etwas Herzhaftes zu essen. Sie ließ sich mit Käse und Fleisch gefüllte Empanadas bringen und verspeiste sie heißhungrig. Und dann fühlte sie auch wieder Lust, sich im Freien aufzuhalten. Sie unternahm einen Spaziergang durch den Park bis zum Wasserturm, wandte ihr Gesicht der Sonne zu und fühlte neue Energie.
»Dorothea, Liebes, wie kommst du denn hierher? Du musst dich hinlegen. Ich begleite dich sofort zurück zum Haus.«
Es war Antonio, der ihr besorgt entgegeneilte und einen Arm reichte, um sie zu stützen. Dorothea hakte sich bei ihm unter und wirkte höchst vergnügt.
»Nein, mir geht es gut. Ich habe das Gefühl, ich könnte Bäume ausreißen.«
Antonio schien nicht überzeugt. »Meinst du nicht, du solltest zuerst mit dem Doktor sprechen?«
Dorothea lachte, stieß ihm mit dem Zeigefinger gegen die Nasenspitze und drückte ihm einen raschen Kuss aufs Kinn. »Ich bin nicht krank, mein Lieber, ich bin schwanger.«
Die Schwiegereltern waren überrascht, Dorothea wieder bei den Mahlzeiten anzutreffen.
»Übernimmst du dich auch nicht?«, fragte Isabel mit sorgenvoller Miene. »Ich habe mich vom ersten bis zum letzten Tag geschont, und glaub mir, du wirst nach der Geburt alle deine Kräfte brauchen.«
»Dem Kind geht es gut, sagt der Doktor, und mir auch. Ich bin so froh, wieder unter Menschen zu
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