Das Land zwischen den Meeren
ich ihr recht geben. Deswegen kann Dorothea mit meiner vollen Unterstützung rechnen. Der Kaufvertrag für ein Haus wurde übrigens heute unterzeichnet.«
»Wenn dir die Meinung deines Vaters schon gleichgültig ist, solltest du darüber nachdenken, wie so etwas in unseren Kreisen ankommt. Die Ehefrau des größten Kaffee-Erben des Landes stellt sich auf eine Stufe mit primitivem Pack.«
»Wir als Kaffeepflanzer sind privilegierte Menschen, und es stünde uns gut an, wenn wir etwas von unserem Reichtum und Glück an jene abgäben, mit denen es das Schicksal nicht so gut gemeint hat. Die von Anfang an in Costa Rica gelebt und das Land bewirtschaftet haben – bevor unsere Vorfahren es erobert und die Mehrzahl der Ureinwohner ausgerottet haben.«
Dorothea suchte unter dem Tisch nach Antonios Hand und drückte sie zärtlich.
Pedro griff sich röchelnd an den Hals, lockerte den Hemdkragen und erhob sich schwerfällig. »Ich bin hier wohl in einem Irrenhaus.« Er griff nach seinem Stock und wankte zur Tür. Warf sie so heftig hinter sich zu, dass die Gläser in den Vitrinen klirrten.
Isabel hatte die ganze Zeit über geschwiegen. Doch nun zupfte sie erregt an ihrer Perlenkette, konnte sich schließlich nicht länger zurückhalten. »Was ist nur in euch gefahren? Die Leute werden hinter unserem Rücken tuscheln und uns meiden. Das ist das gesellschaftliche Aus für unsere Familie. So etwas könnt ihr Vater doch nicht antun.«
Antonio beugte sich vor und streichelte Isabel beruhigend über den zitternden Arm. »Aber Mutter, was schert dich die feine Gesellschaft? Du empfängst keinen Besuch mehr, gehst nur noch selten zu einer Feier oder ins Theater, weil es dich zu sehr anstrengt. Was kümmert dich also das Gerede irgendwelcher Leute? Und Vater hat nichts und niemanden zu fürchten. Er hat sich in vielen Jahren eine Stellung aufgebaut, die ihm niemand streitig machen kann. Und wer weiß, ob Dorotheas Beispiel nicht irgendwann Schule macht? Wenn sich auch andere ihrer Pflicht als Christenmenschen bewusst werden. Oder weil sie einfach nur der Familie Ramirez nacheifern wollen.«
Dorothea sah zu ihrem Mann hinüber, dankbar und gerührt, dass er sie so leidenschaftlich und klug verteidigte. Sie fühlte ein Kribbeln und einen leisen Schauer, weil etwas von der Verliebtheit früherer Tage in ihr aufflackerte, als sie und Antonio sich gerade kennengelernt hatten. Doch nunmehr war es eine Verliebtheit, die weniger dem Mann als vielmehr dem Menschen galt. Als sie Antonio vor dem Zubettgehen vor ihrer Zimmertür verabschiedete, umarmte sie ihn und schmiegte ihre Wange gegen die seine. »Danke, mein Lieber.«
Er erwiderte die Umarmung, küsste sie. »Du kannst dich auf mich verlassen.«
Teresa konnte ihr Glück kaum fassen, als sie erfuhr, dass sie demnächst mit anderen jungen Frauen in einem eigenen Haus wohnen sollte. Sie war Feuer und Flamme, als Dorothea ihr von dem Plan erzählte, Vasen, Schalen und Krüge in alter indianischer Tradition herzustellen. Ihre Großmutter hatte sie als Kind in die Kunst des Töpferns eingewiesen. Teresa wollte alles tun, um zu dem Lebensunterhalt für sich und das Kind beizutragen, das sie in wenigen Wochen erwartete.
»Nie hätte ich geglaubt, dass mein Schicksal sich doch zum Guten wenden würde, Señora Ramirez. Allerdings ist mir ganz bang zumute, wenn ich an meine Freundin denke.«
»Was ist denn mit ihr?«
»Sie heißt Silma und ist siebzehn Jahre alt. Sie hat noch acht jüngere Geschwister. Ihre Eltern haben sie mit einem viel älteren Mann aus Alajuela verheiratet, der eine Schreinerei betreibt. Aber er ist kein guter Mann. Silma darf das Haus nicht allein verlassen, auch keine Freundinnen empfangen. Und immer wenn er getrunken hat, schlägt er sie. Silma hat Angst, dass er sie eines Tages totprügelt. Zu ihren Eltern kann sie nicht zurück, weil sie ja nun verheiratet ist und ihr Mann über sie bestimmt.«
Dorothea lockerte die Hände, die sich bei Teresas Schilderung zu Fäusten geballt hatten. Sie wurde wieder an die junge Indianerin auf dem Markt von Jaco erinnert, die die Spuren häuslicher Gewalt nicht hatte verbergen können. »Aber das ist doch wunderbar – dann seid ihr schon zu zweit«, meinte sie stattdessen und versuchte, Zuversicht auszustrahlen.
Jeden Morgen fuhr Dorothea in Teresas Begleitung zu deren neuer Bleibe, überprüfte den Fortgang der Arbeiten am Dach, während die Maler sämtliche Wände frisch tünchten. Dorothea maß die Fenster aus, damit die
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