Das Land zwischen den Meeren
Gesindehaus vergewaltigt.«
Pedro lachte höhnisch auf. »Pah, und solchen Unsinn glaubst du? Vermutlich hat sie ihm schöne Augen gemacht und den armen Kerl dann zu einer Handlung gezwungen, die er in nüchternem Zustand nie begangen hätte. Weil sie endlich auch mal was mit einem Weißen haben wollte. Schau dir doch an, wie geziert diese Mädchen dahergehen und dabei unaufhörlich mit den Hüften schwingen! Das sind alles kleine Huren.«
Dorothea zwang sich, nach außen hin ruhig zu bleiben, auch wenn in ihrem Innern ein Sturm der Empörung tobte. Woher nahm Pedro das Recht, so überheblich über diese Mädchen zu sprechen? »Ich möchte dich bitten, Schwiegervater, Teresa zu erlauben, noch für eine Weile auf der Hacienda wohnen zu bleiben.«
Pedro hielt den Kopf schief und legte eine Hand hinter das Ohr. »Wie? Ich glaube, ich habe mich wohl verhört.«
»Kann Teresa im Gesindehaus wohnen bleiben, bis sie eine andere Unterkunft gefunden hat? Ja oder nein?«
»Nein, verdammt noch mal! Diese Hure ist eine Schande für uns alle. Sie soll bleiben, wo der Pfeffer wächst. Der Herr auf der Hacienda bin immer noch ich.«
Dorothea ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Sie erinnerte sich an eine ähnliche Situation, viele Jahre zuvor, als sie ihren Eltern von ihrer Schwangerschaft erzählt hatte. Damals war es um sie persönlich gegangen, und sie hatte nicht die Kraft gehabt, für sich selbst zu kämpfen, war schließlich davongelaufen. Doch hier ging es um eine andere Frau, und diesmal würde sie sich nicht zurückziehen.
Ja, sie fand sogar Gefallen daran, sich mit Pedro in einem Wortgefecht zu messen. »Das hat niemand bezweifelt, S chwiegervater. Aber ich bin die Ehefrau des künftigen Herr n dieser Plantage und werde Teresa als meinen Gast einladen. Ich werde ihr mein Schlafzimmer im Westflügel zur Verfügung stellen und selbst im Gesindehaus schlafen, mir den Raum mit ihren Zimmergenossinnen teilen. Wie viele Mädchen sind dort untergebracht? Sind es vier oder sechs?«
Pedro rang nach Luft. Eine Ader an seiner Schläfe schwoll bedenklich an, die Augen traten ihm aus den Höhlen. »Ich lasse mir nicht von meiner Schwiegertochter auf der Nase herumtanzen! Es wird offenbar Zeit, dass Antonio in seiner Ehe andere Saiten aufzieht!«, brüllte er so laut, dass seine Worte vermutlich noch im entlegensten Winkel der Hacienda zu hören waren.
»Gut, dann werde ich Teresa darüber in Kenntnis setzen, dass sie weiterhin im Gesindehaus wohnen kann.« Hoch erhobenen Hauptes verließ Dorothea das Kontor. Draußen vor der Tür blinzelte sie in die gleißende Mittagssonne. Sie fühlte sich plötzlich unbeugsam und stark.
Nachdem sie Teresa die gute Nachricht übermittelt hatte, zog sie sich in ihr Zimmer zurück. Dabei fiel ihr Blick auf eins der Gefäße, die sie auf dem Markt in Jaco gekauft hatte und die seither ihre Frisierkommode schmückten. Von einer Schale blickte ihr ein kletternder Affe entgegen. Ihre Fingerspitzen fuhren sacht über den geglätteten Ton, hielten plötzlich inne … Dann legte sie sich in die Hängematte, die sie vor Kurzem auf ihrem Balkon hatte anbringen lassen und in der es sich wunderbar entspannen ließ. Schon bald reifte in ihr ein Plan heran, wie sie ihr Leben mit Sinn erfüllen und sich neuen Herausforderungen stellen konnte.
Antonio zeigte sich betroffen, als Dorothea ihm beim Tee von der Unterredung mit seinem Vater erzählte, hob aber nur hilflos die Schultern. »Natürlich ist es schlimm für dieses Mädchen, aber es gibt viele solcher Fälle. Da kann man nicht helfen.«
»Du hältst es für normal, wenn indianische Mädchen der Willkür lüsterner alter Männer ausgeliefert sind, von ihren Familien fallen gelassen werden und sich dann nur entscheiden können, ob sie lieber als Bettlerin oder als Dirne leben wollen? Empört sich da gar nichts in dir? So etwas ist himmelschreiende Ungerechtigkeit! Da muss doch etwas geschehen.«
»Und was sollte das deiner Meinung nach sein?«
Dorothea versuchte, in Worte zu fassen, worüber sie lange nachgedacht hatte. »Es müsste einen Ort geben, an dem Mädchen wie Teresa Zuflucht finden. Ein Haus, in dem sie zu essen und zu trinken bekommen, wo sie wohnen und arbeiten können.«
»Du meinst ein Heim für notleidende Indigenas? So etwas gibt es nicht in Costa Rica, wird es auch nie geben. Die Ticos halten die Indios für ungebildet und dumm. Für die meisten sind sie nur billige Arbeitskräfte auf der Stufe von Tieren.«
Dorothea lächelte
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