Das Landmädchen und der Lord
Erbin – oder eine Glückssträhne an den Spieltischen. In letzter Zeit habe ich es ein bisschen übertrieben, und nun muss ich meine Verluste ausgleichen.“
„Unter diesen Umständen hättest du Miss Hampton nicht in Verlegenheit bringen dürfen. Wenn ich in den Clubs irgendwelche Klatschgeschichten über den Vorfall höre, schlage ich dich zusammen.“
„Keine Bange, ich werde Stillschweigen bewahren. Das verspreche ich dir, und ich entschuldige mich für meine Handlungsweise. Ich hatte keine Ahnung, dass ich dir auf die Zehen steigen würde, Pendleton. Hätte ich von deinem Interesse an der jungen Dame gewusst, wäre ich nicht mit ihr in den Garten gegangen.“
Harry hatte diese Erklärung akzeptiert, denn ein Duell würde einen Skandal heraufbeschwören und Miss Hampton schaden. Das wollte er vermeiden. Immer öfter musste er an sie denken. Während des Aufenthalts auf seinem Landsitz hatte er noch immer keinen Entschluss gefasst, aber zumindest das Problem seines Nachbarn gelöst und ihm ein wertloses Stück Land für eine viel zu hohe Summe abgekauft. Das begründete er mit der Behauptung, er brauche es, weil es an seinen Park grenze. An dieser Stelle würde er einen See anlegen lassen. Wahrscheinlich hatte General Harlow die Lüge durchschaut, aber das Angebot, das immerhin sein Gesicht wahrte, dankbar angenommen.
Nach London zurückgekehrt, hatte Harry etwas verspätet den Ball der Duchess of Morland besucht, in der Hoffnung, Susannah zu begegnen. Als er sie mit Northaven auf die Terrasse treten sah, war er den beiden gefolgt, weil er mit Schwierigkeiten rechnete. Dann hatte er ihren Schrei gehört und war ihr sofort zu Hilfe geeilt. Wie sie ihm beschämt gestanden hatte, wünschte sie sich ein „Abenteuer“.
Der Marquess übte offenbar eine faszinierende abenteuerliche Wirkung auf junge Damen aus.
Vermutlich findet sie mich nicht so aufregend, dachte Harry. Obwohl er vorerst keine Heirat plante, wäre es erfreulich, wenn er eine schöne junge Frau wie Susannah wenigstens ein bisschen interessieren würde. Wehmütig nippte er an seinem Brandy. Er wusste, er wirkte manchmal etwas zu ernsthaft und streng, sogar abweisend. Mit seiner Warnung vor Northaven hatte er Miss Hampton geärgert. Und nun fühlte sie sich schuldig und töricht, weil die Ermahnung berechtigt gewesen war.
Erweckte er tatsächlich einen so strengen, abweisenden Eindruck? Früher hatte er genug Unsinn getrieben, seinen Mitmenschen alberne Streiche gespielt und die Gunst etlicher leichtfertiger Frauen gewonnen. Aber das Grauen des Krieges, der schmerzhafte Tod so vieler Kameraden – dies alles war eine ernüchternde Erfahrung gewesen. Als sein Vater erkrankte und sein älterer Bruder Alan plötzlich an einer Infektion starb, war er heimgekehrt, um die Ländereien zu retten.
Vor seinem Tod hatte Alan einen Großteil des Familienvermögens verspielt. Erst nach jahrelanger harter Arbeit hatte Harry das Landgut in ein florierendes, ertragreiches Unternehmen zurückverwandelt.
Zudem machte er lukrative Geschäfte, was er vor den meisten Leuten geheim hielt, weil dergleichen in gewissen Kreisen als ehrenrührig galt. Seit einiger Zeit besaß er eine Importfirma und handelte mit erlesenen Weinen. Davon wussten nur seine engsten Freunde.
Sollte er Toby fragen, ob er zu ernst und förmlich wirkte, vielleicht sogar langweilig? Durfte er hoffen, eine lebhafte junge Dame wie Miss Hampton würde etwas für ihn empfinden? Er war einige Jahre älter, im Grunde kein Hindernis, aber wenn ihr sein Verhalten missfiel …
Seufzend stellte er das Brandyglas beiseite, verließ die Bibliothek und stieg die Treppe zu seinem Schlafzimmer hinauf. Wenn er Susannahs Aufmerksamkeit erregen wollte, musste er sich ändern. War sie ihm so wichtig, dass er sich darum bemühen sollte? Ja, denn an diesem Abend hatte er erkannt, wie viel sie ihm bedeutete.
Was müsste er tun, damit sie den kühnen, edlen Ritter in ihm sah, von dem sie träumte?
Susannah eilte in den Salon und hielt abrupt inne, als sie Amelias Besucher erkannte – Sir Michael Royston, der sie anstarrte, ohne seine Abneigung zu verhehlen.
„Verzeihen Sie, dass ich so hereinplatze, Miss Royston“, bat sie. „Aber ich habe Neuigkeiten. Und ich wusste nichts von Ihrem Besuch …“
„Sie sollten lernen, anzuklopfen, junge Dame – insbesondere wenn Sie Gast in einem fremden Haus sind“, mahnte Sir Michael und wandte sich zu seiner Schwester. „Meine Meinung kennst du, Amelia. In Zukunft
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