Das Landmädchen und der Lord
bin – würden Sie hin und wieder für eine Weile bei mir wohnen?“
„Wie meinst du das – falls? Erwägst du deine Verlobung zu lösen?“
„Nein, natürlich nicht. Ich – ich bin mir nur nicht sicher, wo wir leben werden. Immerhin besitzt Harry mehrere Häuser.“
„Wo immer du sein wirst, Liebes, ich werde sehr oft zu dir kommen. Und ich hoffe, du besuchst mich ebenfalls.“ Nach einer kurzen Pause fragte Amelia: „Wie gefällt dir Lord Pendletons Landsitz? Ziemlich imposant, nicht wahr? Sicher überwältigt dich die Opulenz dieses Herrschaftshauses. Keine Bange, du wirst dich bald eingewöhnen.“
„Das hätte ich mir denken können – Sie merken, wie mir zumute ist.“ Susannah lachte. „Natürlich liebe ich Harry immer noch. Aber dieses hochherrschaftliche Gebäude … Und die zahlreichen Verwandten, die mich inspizieren, als hätte ich zwei Köpfe! Wie ich gestehen muss – ich weiß nicht, ob ich mich zur Gemahlin Seiner Lordschaft eigne.“
„Nun, es war nicht besonders rücksichtsvoll von Lady Elizabeth, alle auf einmal einzuladen“, meinte Amelia belustigt. „Jedenfalls bin ich froh, weil du darüber lachen kannst, meine Liebe. Gestern Abend hast du so verängstigt ausgesehen, und ich wollte dich trösten. Dann dachte ich, deine Mama würde alles Nötige mit dir besprechen.“
„Das wird sie sicher tun. Sie freut sich so sehr über meine Verlobung – über meine gesicherte Zukunft. Und sie muss sich nie wieder wegen ihrer unbezahlten Rechnungen aufregen. Sicher wird Harry für sie sorgen.“
„Ja, du machst wirklich eine ausgezeichnete Partie. Aber du darfst nicht glauben, du würdest in einer Falle sitzen. Deine Mutter wünscht sich vor allem, dass du glücklich bist. Wenn du fürchtest, du würdest es nicht durchstehen, solltest du dein Jawort zurücknehmen … Jetzt habe ich zu viel gesagt!“
„O nein!“ Susannah sprang auf und küsste Amelia auf die Wange. „Das gebe ich zu, ich fühle mich tatsächlich – nicht wie in einer Falle, eher einer so erlauchten Position unwür dig.“
„Sei nicht albern! Harry muss dankbar sein, weil er eine so bezaubernde, liebenswerte Braut gefunden hat. Und sei versichert, deine Angst, du wärst den Ansprüchen deiner neuen Position nicht gewachsen, wird verfliegen, und du wirst eine wundervolle Lady Pendleton sein.“
„Wenn er mich bloß lieben würde!“
„Selbstverständlich liebt er dich …“
Als es an der Tür klopfte, verstummte Amelia. Ein Dienstmädchen trat ein und knickste. „Miss Hampton, Lord Pendleton lässt fragen, ob Sie bereit sind, mit ihm auszufahren.“
„Ja, ich habe mein Frühstück beendet. Bitte, sagen Sie Seiner Lordschaft, ich komme in fünf Minuten nach unten.“
Susannah eilte in ihr Schlafzimmer und setzte den Hut auf, den ihre Zofe bereitgelegt hatte. Dann zog sie Lederhandschuhe an und legte sich eine leichte Stola um die Schultern. Eine Pelisse würde sie bei diesem schönen Wetter nicht brauchen.
Wohlgefällig beobachtete Harry, wie seine Verlobte die Treppe herabstieg. Sie trug ein grün und weiß gestreiftes Kleid mit einer weißen Borte am Saum, dazu weiße Schuhe und Handschuhe und einen Strohhut mit grünen Bändern. So hinreißend sah sie aus. Am liebsten hätte er sie umarmt und ihr seine Liebe gestanden. Aber bevor er zu sprechen vermochte, erschien sein Neffe in der Halle.
„Wie üblich sehen Sie wundervoll aus, Susannah“, sagte Toby, als sie den Fuß der Treppe erreichte. „Harry muss sich glücklich schätzen, weil er Sie erobert hat. Heute Morgen fahre ich ins Dorf. Aber am Nachmittag möchte ich Ihnen den See zeigen.“
„Oh, das ist sehr nett von Ihnen, Toby“, antwortete sie und schenkte ihm ein warmherziges Lächeln. „Durch mein Fenster habe ich den See schon entdeckt, und ich freue mich auf unsere Wanderung. Aber jetzt werde ich eine Ausfahrt genießen.“ Zu Harry gewandt, bat sie: „Wirst du mir die Zügel überlassen?“
„Zu diesem Zweck habe ich ein geeignetes Gespann gekauft.“ Beim Anblick ihres freudestrahlenden Gesichts lachte er leise. „Darum hat Toby sich gekümmert und genau die richtigen Pferde ausgewählt. Die sind nicht so lebhaft wie meine Rappen, sondern sanftmütige Geschöpfe, an die Hand einer Dame gewöhnt.“
„Oh, dann kann ich sie sicher leichter kontrollieren als Tobys Gespann“, sagte sie und vergaß, dass jener Fahrunterricht ein Geheimnis bleiben sollte. Prompt warf Harry seinem Neffen einen scharfen Blick zu, und der junge Mann
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