Das Landmädchen und der Lord
Mühe ist er nicht wert. Für diese unerfreuliche Situation ist auch Miss Hazledeane verantwortlich – obwohl ich vermute, er hat sie verführt.“
„Oh, sie ging bereitwillig auf meine Avancen ein“, erklärte der Marquess spöttisch. „Schade, dass ich die unschuldige junge Dame nicht überreden konnte, mit mir durchzubrennen. Welch ein Spaß wäre der Anblick eurer Gesichter gewesen …“
„Du wirst mir Genugtuung geben“, verlangte Harry.
„Mit Vergnügen.“ Northavens Augen glitzerten voller Bosheit. „Darauf warte ich seit Jahren. Morgen schicke ich meine Sekundanten nach Pendleton.“
„Glauben Sie mir, Ihre Gewissensbisse sind unbegründet“, betonte Lady Elizabeth, als sie mit Susannah in ihrem Privatsalon saß und Tee trank. „Warum Jenny weggelaufen ist, begreife ich nicht. Sie musste doch wissen, dass sie damit ihren Ruf ruiniert.“
„Für Sie ist das alles sicher sehr unangenehm, Elizabeth“, seufzte Susannah. „Ich versuchte sie vor dem Marquess zu warnen. Aber sie liebt ihn.“
„Und das ist wirklich sehr unvernünftig … Oh, ich wünschte, Harry hätte sie nie hierhergebracht! Ich begann sie nämlich zu mögen. Und jetzt fühle ich mich hintergangen.“
„Ja, sie hat Ihr Vertrauen missbraucht.“
„Hätte sie mir bloß die Wahrheit erzählt! Ich hätte ihr geholfen, den Marquess zu heiraten.“
„Das würde Harry wohl kaum erlauben.“
„Vielleicht nicht – obwohl Northaven immer noch in vielen respektablen Häusern empfangen wird. Auf keinen Fall hätte Jenny mit ihm durchbrennen dürfen. Natürlich wäre es besser gewesen, das Problem auf anständige Weise zu lösen. Eine Heirat wäre das geringere von zwei Übeln.“
„Hätte ich Harry verraten, dass ich die beiden in Bath sah, wäre es ihm gelungen, das alles zu verhindern …“
„Wie töricht sich das Mädchen verhalten würde, konnten Sie nicht ahnen, Susannah. An diesem unseligen Ereignis trifft Sie keine Schuld, und ich werde meinem Sohn gehörig die Meinung sagen, weil er Sie so unfreundlich gemaßregelt hat. Er muss sich bei Ihnen entschuldigen.“
„Nein, bitte, bemühen Sie sich nicht …“
„Auch er ist gewissermaßen für die Situation verantwortlich, weil er Jenny in Pendleton einquartiert hat. Stattdessen hätte er sie in ein Internat schicken sollen.“
Darauf antwortete Susannah nicht. Unglücklich entsann sie sich, wie hart und kalt er sie zurechtgewiesen hatte. Würde er ihr jemals verzeihen?
Als Susannah sich an diesem Abend in ihr Schlafzimmer zurückzog, war Harry noch nicht nach Hause gekommen. Sie kleidete sich aus, fand aber keine Ruhe. Und so setzte sie sich ans Fenster, um nach ihm Ausschau zu halten. Nach Mitternacht sah sie im Schein der Außenlaternen drei Männer heranreiten und absteigen. Einer nahm die Zügel aller drei Pferde und führte sie in den Stall, die beiden anderen näherten sich dem Haus.
Da ihr Fenster halb offen stand, hörte sie, was sie besprachen.
„Verdammt, Harry, du hättest ihn nicht zum Duell fordern dürfen. Hätte ich dir bloß nicht dazu geraten! Darauf wartet er doch schon seit Jahren – auf eine Chance, dich zu töten!“
„Soll er’s doch versuchen …“
Ein kalter Schauer rann Susannah über den Rücken. Die nächsten Worte verstand sie nicht mehr, denn die Männer waren in die Halle gegangen. Aber was sie erfahren hatte, war deutlich genug – Harry und der Marquess of Northaven würden sich duellieren!
Entsetzt presste sie eine Hand auf den Mund. Wenn Harry umgebracht oder schwer verletzt wurde … Aber sie wusste, es wäre sinnlos, ihn zu bitten, er möge auf das Duell verzichten. Er würde nur erwidern, von solchen Dingen habe sie keine Ahnung. Oder er würde behaupten, sie habe sich verhört und es sei gar kein Duell geplant.
Was sollte sie tun? Rastlos sprang sie auf und wanderte in ihrem Schlafzimmer umher. Wenn sie bloß wüsste, wo das Duell stattfinden sollte … Irgendetwas musste sie unternehmen. Wenn Harry den Tod fand, das würde sie nicht ertragen. Durfte sie es wagen, nach unten zu gehen und die Männer zu belauschen? Vielleicht würde sie etwas mehr herausfinden. Natürlich war es riskant, denn sie konnte ertappt werden …
„Das ist reiner Wahnsinn, und du weißt es“, mahnte Gerard, während sie in der Bibliothek ein Glas Wein tranken. Inzwischen hatte Max die Pferde einem schläfrigen Stallknecht übergeben und sich hinzugesellt. „Miss Hazledeane ist es wirklich nicht wert, dass du ihretwegen dein Leben aufs
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