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Das Landmädchen und der Lord

Das Landmädchen und der Lord

Titel: Das Landmädchen und der Lord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ANNE HERRIES
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verführt. Und indem er sie aus meinem Haus lockte, wo sie als Mündel meiner Mutter wohnte, warf er mir einen Fehdehandschuh hin. Wenn ich die Angelegenheit nicht sofort kläre, wird er noch etwas versuchen, das mich viel schmerzlicher verletzen würde.“
    „Meinst du Susannah?“, fragte Gerard besorgt. „Großer Gott – glaubst du, der Versuch, Amelia zu entführen, galt in Wirklichkeit deiner Braut?“
    „Das befürchte ich.“
    „Dann hast du keine Wahl, du musst ihn fordern.“
    „Genau das habe ich vor.“ In Harrys Augen erschien ein stählerner Glanz. „Schauen wir uns an der Rückfront um.“
    Die drei Männer rannten geduckt über eine Wiese und bogen um die Ecke des Hauses. Dabei blieben sie stets im Schatten einiger Büsche. Hinter den Fenstern eines Zimmers im Erdgeschoss brannte helles Licht, eine Verandatür stand weit offen.
    „Wartet hier auf mich“, flüsterte Harry. „Dem Himmel sei Dank für die schwüle Nacht! Diese geöffnete Tür ist eine Einladung, die ich annehmen werde. Geht nur hinein, wenn ich euch rufe oder wenn ihr einen Schuss hört.“
    „Dann ist es vielleicht zu spät“, protestierte Gerard. „Diesem Schurken traue ich nicht.“
    Harry musterte die Gesichter seiner Freunde und grinste. „Also gut, ihr werdet mir folgen, ob’s mir passt oder nicht. Mal sehen, was der Marquess zu sagen hat.“
    Als er die Verandastufen hinaufstieg, blieben ihm die beiden Männer auf den Fersen. Harry zog seine Pistole nicht. Aber Gerard und Max wollten nichts riskieren und zückten ihre Waffen.
    Vor der geöffneten Terrassentür hielt Harry inne und schaute in eine Bibliothek. An drei Wänden des Raums standen hohe Regale, mit in Leder gebundenen Bänden gefüllt. Northaven saß an einem Tisch, die Füße auf der Platte, ein leeres Weinglas in der Hand, die Augen geschlossen.
    Scheinbar schlief er. Doch er blickte auf, sobald Harry sich räusperte. „Ah, Pendleton, ich habe dich erwartet.“ Dann entdeckte er die beiden Männer hinter dem Besucher, und seine Lippen verzogen sich zu einem sonderbaren Lächeln. „Das ist sie ja, die Dreifaltigkeit! Dachtest du, ich würde dich in eine Falle locken? Oder hat mein Henker eine Jury mitgebracht, die mich verurteilen wird? Soll ich meine Sünden bereuen, ehe ich vor meinen Schöpfer trete?“
    „Wo ist sie, Northaven?“, fragte Harry. „Was hast du mir ihr gemacht?“
    Sichtlich amüsiert, erhob sich der Marquess. „Meinst du die junge Dame, die du so ritterlich in deinem hochherrschaftlichen Haus aufgenommen hast, das Mündel deiner Mutter? Nun, das wusste Jenny ganz und gar nicht zu schätzen. Deine liebe Mama wollte sie zu einem Ausbund an Tugend erziehen und ihr beibringen, wie man sich in der vornehmen Gesellschaft zu benehmen hat. O ja, das alles weiß ich. Wie ich gestehen muss – ich war versucht, herauszufinden, ob du dich von einem kleinen Vermögen trennen würdest, um ihren guten Namen zu retten. Von ihrer Unschuld kann ich nicht reden. Die hat sie längst verloren. Schon vor dem Tod ihres Bruders wurde sie meine Geliebte. Vielleicht hätte ich sie sogar geheiratet.“
    „Elender Verführer!“, stieß Harry hervor. „Natürlich wirst du sie heiraten.“
    „Es wäre interessant zu beobachten, wie du mich dazu zwingen willst …“, erwiderte Northaven gedehnt. „Leider ist das Vögelchen uns beiden davongeflogen. Jenny forderte mich auf, sie zu heiraten. Doch ich weigerte mich, und sie lief davon.“
    „Sie lief davon?“, wiederholten Harry und Gerard wie aus einem Mund.
    Lässig zuckte Northaven die Achseln und lachte spöttisch. „Ich glaube, sie floh zu ihrer Tante. Hat Hazledeane diese Frau nicht erwähnt? Offenbar wurdest du düpiert, Pendleton. Der Schurke hoffte, du würdest seine Schwester heiraten, wenn du annehmen musstest, sie stünde ganz allein auf der Welt. Aber Jenny hat eine Tante, die im Norden von England lebt. Dort wirst du sie finden – was ihr missfallen wird.“
    „Hazledeane warnte mich vor dir …“ Unsicher zögerte Harry. Hatte er den Marquess falsch beurteilt? Wohl kaum … „Mit deinen Lügen wirst du mich nicht zum Narren halten. Wo ist sie? Im oberen Stockwerk?“
    „Beinahe wünschte ich, sie wäre hier. Denn ich würde nur zu gern beobachten, wie du den Racheengel spielst.“
    „Verdammt, du hast ein unschuldiges Mädchen ins Verderben gestürzt! Dafür wirst du büßen!“
    „Lass das!“, rief Gerard und packte den Arm seines Freundes, der seine Pistole gezogen hatte. „Deine

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