Das Landmädchen und der Lord
Spiel setzt.“
Erstaunt hob Harry die Brauen. „Glaubst du, ich habe Northaven ihretwegen zum Duell gefordert? Schon seit Jahren fiebert er einem Kampf entgegen. Wenn ich die Angelegenheit nicht endlich kläre, wird sie sich noch sehr lange hinziehen. Und wer weiß, was er demnächst versuchen würde? Wie du sagtest, hätten die Schurken Susannah entführen können. Das wäre die Rache gewesen, die er die ganze Zeit ersehnt hat. Er hasst mich, weil ich ihm vorwerfe, er habe im Krieg Hochverrat verübt.“
„Und du glaubst, das Duell wird eure Feindschaft beenden?“ Gerard schüttelte den Kopf. „Nur wenn du ihn tötest.“
„Hoffentlich ist das nicht nötig“, erwiderte Harry in ernstem Ton. „Übrigens, es widerstrebt mir, diesem eigensinnigen Mädchen nachzujagen. Du wolltest nach Frankreich reisen, Gerard. Dürfte ich dich bitten, vorher festzustellen, ob Jenny sich bei ihrer Tante im Norden aufhält? Northaven hat erwähnt, sie sei bei dieser Frau.“
„Und wenn nicht?“
„Dann kann ich nichts mehr tun. Sie hat sich furchtbar dumm benommen. Aber Mama mag sie. Ihr zuliebe würde ich Jenny ein kleines Einkommen zugestehen.“
„Also gut. In ein paar Tagen reise ich ab. Danach muss ich etwas in Frankreich erledigen. Ob ich rechtzeitig zu deiner Hochzeit zurückkommen werde, weiß ich noch nicht, Harry. Wenn nicht, richte deiner Braut meine allerbesten Wünsche aus. Ich werde Lady Elizabeth ein Geschenk für sie übergeben.“
„Falls die Hochzeit überhaupt stattfindet – so wie ich Susannah abgekanzelt habe“, meinte Harry wehmütig.
„Trotz deines Wutanfalls wird sie dich nehmen“, meinte Max grinsend. „Ob du dieses herzensgute Mädchen verdienst, weiß ich gar nicht.“
„Besten Dank“, entgegnete Harry ironisch und schnitt eine Grimasse. „Jetzt sollten wir zu Bett gehen. Keine Ahnung, wann Northavens Sekundanten eintreffen werden. Aber ich vermute, das Duell wird für übermorgen anberaumt, bei Tagesanbruch …“ Harry schaute auf seine Uhr. „Großer Gott, schon nach eins! Also morgen.“
Vor der Bibliothekstür hielt Susannah den Atem an. Sie hatte vermutet, die Männer würden in diesem Raum einen Schlummertrunk nehmen, und recht behalten. Schamlos hatte sie gelauscht.
Nun verrieten ihr einige Geräusche, dass sie die Bibliothek verlassen würden. Hastig flüchtete sie die Treppe hinauf. Ihr Herz schlug wie rasend, denn ihr Verdacht hatte sich bestätigt – das Duell sollte tatsächlich stattfinden. Nun musste sie nur noch herausfinden, an welchem Ort. Wenn es so weit war, würde sie den Männern folgen – und dann …
Was sie unternehmen würde, wusste sie nicht. Dass Harry sein Leben riskierte, weil Jenny Hazledeane die Geliebte des Marquess war, tat ihr in tiefster Seele weh. Offenbar empfand er etwas für diese Frau. Sonst würde er so gefährliche Maßnahmen nicht ergreifen. Und wenn er stirbt, ist es meine Schuld. Hätte ich ihm von Anfang an die Wahrheit erzählt, wäre das alles nicht geschehen … In ihrem Zimmer lehnte sie sich an die Tür und kämpfte mit den Tränen. Was sollte sie nur tun, um dieses wahnsinnige Duell zu verhindern?
Am nächsten Vormittag spazierte Susannah mit Amelia durch den Park und sah Harry auf sich zukommen.
„Guten Morgen, Susannah – Miss Royston.“ Seine Miene wirkte ernst, aber nicht zornig. „Würden Sie uns entschuldigen, Miss Royston? Ich möchte ein paar Minuten allein mit Susannah sprechen.“
„Natürlich. Übermorgen werde ich abreisen. Könnte ich später mit Ihnen reden, Pendleton?“
„Ja, gewiss. Hoffentlich gestatten Sie mir, Ihnen eine Eskorte zuzuweisen – damit Sie Ihr Reiseziel unbeschadet erreichen.“
„Danke, das weiß ich zu schätzen“, antwortete Amelia, nickte ihm zu und ging davon.
„Das ist sehr freundlich von dir.“ Mühsam versuchte Susannah ihre Nerven zu besänftigen. „Nach dem Überfall am Waldrand war Amelia ziemlich aufgeregt.“
„Kein Wunder. Möglicherweise ist ein neuer Angriff auf deine Freundin geplant. Deshalb habe ich Max und Gerard gebeten, Miss Royston nach Hause zu begleiten.“
„Was für eine gute Idee …“ Unsicher schaute Susannah ihn an. „Deine Mama hat mir erzählt, Miss Hazledeane sei gar nicht mit dem Marquess zusammen, sondern vermutlich zu ihrer Tante geflüchtet.“ Wohlweislich verschwieg sie, das wisse sie, weil sie sein Gespräch mit dem Earl und Lord Coleridge belauscht hatte.
„So sieht es aus. Wenn Gerard deine Freundin nach Hause gebracht hat,
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