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Das lange Lied eines Lebens

Das lange Lied eines Lebens

Titel: Das lange Lied eines Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Levy
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dass er mit Dublin Hilton lange vor jenem Tag über die Veränderungen geredet hatte, die in dem Aufseher vorgegangen waren, seit er durch Anheirat Massa geworden war, und er war überzeugt, dass Dublin ihm bei dieser Gelegenheit von dem Bild, dem Künstler und dem fehlenden Negerdorf erzählt hatte. Denn Cornet fand es arglistig von dem Künstler, dass er die heruntergekommenen Negerhütten einfach ausgeblendet hatte.
    Nein, der Ärger begann zur Weihnachtszeit, als Robert Goodwin den Treiber Mason Jackson angewiesen hatte, sämtliche Neger, die noch auf Amity wohnten, zusammenzutrommeln und im Mühlenhof zu versammeln. Cornet erinnerte sich, dass der Treiber, um die Kolonne zu schnellerem Gehen zu zwingen, die Peitsche geschwungen hatte. Und als Giles Millar und Betsy dem Treiber die Sklavenpeitsche aus Kuhhaut entwanden, brach ein ungeheurer Tumult aus. Sie seien keine Sklaven mehr, brüllten sie ihn an, und würden zu keinem Peitschenhieb tanzen! Sie warfen die Peitsche in den Fluss und hätten auch den Treiber ertränkt, aber da hatte Massa Goodwin bereits zu sprechen begonnen.
    Drei Zuckerrohrfelder müssten abgeerntet werden, sagte der Massa von seinem Fass herab. Wer arbeite, um die Ernte einzubringen, erhalte einen vollen Tageslohn für einen vollen Arbeitstag. Kommt schon, lächelte er, als er alle ermahnte, in den kommenden Tagen hart zu arbeiten.
    Aber es war Weihnachten. Die meisten derjenigen, die vor ihm standen, trugen ihre besten Festtagskleider. Miss Sarah aus der ersten Kolonne etwa hatte das ganze Jahr über daran gesessen, ihr Kostüm für das Johnkankus-Fest in der Stadt zu schneidern. Sie war ein Blaues Mädchen. Als Britannia wollte sie die
King’s Street entlangparadieren, einen Dreizack in der Hand und einen Helm aus blauer Seide und Silber auf dem Haupt. Lange hatte sie auf die Ehre gewartet, das Banner zu schwenken, auf dem geschrieben stand: »Blaue Mädchen für immer!« Also nein, sie würde an ihren beiden freien Weihnachtstagen nicht arbeiten.
    Und Peggy und Cornet hatten ihre Tochter zu Besuch (die, die verkauft worden war). Seit vielen Jahren hatten sie ihr hübsches Gesicht nicht mehr gesehen. Sie war mit ihrem kleinen Wurm von weit, weit her gekommen und in dem Augenblick eingetroffen, da Peggy und Cornet schon alles gepackt hatten, um die Plantage zu verlassen und nach ihr zu suchen. Deshalb würden auch sie Weihnachten nicht arbeiten; zur Feier des Tages hatten sie bereits drei Hühner geschlachtet und gerupft. Und Mary Ellis, die noch immer bei Peggy und Cornet wohnte, hatte nicht die Absicht, das Festmahl zu verpassen. Auch Ezra wollte die beiden freien Tage nicht verlieren, da die Kuh auf seinem Versorgungsfeld kurz vor dem Kalben stand.
    Bald starrte Massa Goodwin nur noch auf Neger hinab, die den Kopf schüttelten. Und die Worte »Nein, Massa …«, »Nein, Massa … ich nicht«, »Massa … nein, Sir …«, «Nein, Sir« schallten ihm entgegen. Mehrere Male sah Massa Goodwin aus, als wolle er sie eindringlich bitten oder sonst etwas sagen. Doch die Worte wollten ihm einfach nicht über die Lippen – er stand mit sperrangelweit offenem Mund da.
    Nachdem die meisten den Mühlenhof verlassen hatten, um ihrer Tätigkeit nachzugehen, sprach der Massa Benjamin Brown an, der gerade sein Maultier vom Zaun losband. Massa Goodwin lächelte Benjamin an und sagte: »Ah, mein treuer alter Benjamin. Ich wusste, dass du bereit bist zu arbeiten. Ich wusste, dass du mich nicht im Stich lassen wirst.«
    Benjamin indes antwortete dem Massa, nein, er könne über Weihnachten nicht arbeiten, da er dem Pfarrer in seiner Kirche assistieren müsse … Aber der Massa ließ ihn nicht ausreden.
Benjamin zufolge wandte der Massa sich plötzlich von ihm ab, brummte übellaunig: »Undankbare, faule Kerle!« oder dergleichen, bevor er sein Pferd bestieg und davonritt.
    Fanny, die in der zweiten Kolonne arbeitete, behauptete, Robert Goodwin habe, als er nach Weihnachten zu ihnen zurückgekehrt sei, wieder eine freundliche Miene aufgesetzt. Als er in ihrer Tür stand, habe sie sich nach seiner Tochter Emily erkundigt. Sie kann sich noch gut daran erinnern, denn kaum hatte sie die Frage gestellt, lief sein Gesicht rot an. Da merkte Fanny, dass der Weiße vielleicht gar nicht wollte, dass irgendjemand Miss Julys Wurm für sein Kind hielt.Aber die freundliche Stimmung war verdorben, und der Massa befahl ihr, für ihn zu arbeiten; sie werde bezahlt, wenn sie ihre Aufgabe erfüllt habe.
    Wenn alles

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