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Das launische Eiland.

Das launische Eiland.

Titel: Das launische Eiland. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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Lagerräumen des Barbabianca eingelagert worden waren und die derselbe gänzlich unberechtigt für fünfzig Prozent ihres realen Bruttowerts zum Zweck des Sofortgewinns an Dritte weiterverkauft hat. Nicht einer der Lagerhalter von Vigàta hat den Missetaten des Barbabianca und seiner Söhne Vorschub leisten wollen, keiner hat ihm die entsprechende Schwefelmenge geliehen oder verkauft, die die Fehlmenge hätte decken sollen. Ich besitze keine hellseherischen Fähigkeiten, aber aufgrund langjähriger Erfahrungen mit erduldeten Veruntreuungen habe ich hiermit die Ehre, Ihnen die vorhersehbare Entwicklung der Folge erscheinungen darzulegen:
    1) Der Kapitän des Schiffs wird, da er mit Versprechen und Geschenken gekauft wurde, keine Anzeige erstatten.
    2) Die Firma Jung wird unter dem Druck von Drohungen und Einschüchterungen – auch von Seiten
    bekannter Politiker, deren fanatischer Anhänger der Barbabianca geworden ist – von einer Anzeige Abstand nehmen.
       3) Die örtlichen Amtsstellen werden sich in ihrer willfährigen Duldung davor hüten, ohne eine namentlich unterzeichnete Anzeige von Amts wegen vorzugehen, und wo eine solche vorläge, wäre noch zu sehen, ob dieselbe Anzeige nicht letztendlich dem Unterzeichner zum Schaden gereichte…

    Schlagartig unterbrach er sein Schreiben, und die Feder verharrte in der Luft, du guter Gott! Der Zorn hatte ihn erblinden lassen, er war dabei, in eine Falle zu stolpern. Dem Himmel sei Dank, daß er sich noch rechtzeitig besonnen hatte. Wer war denn nur dieser Staatsanwalt, an den er sich da wandte? Es hieß, er sei ehrlich, das ja, aber wer weiß das schon. Andererseits gab es nichts, wovor er sich zu fürchten hatte: Nie und nimmer würde er seine Unterschrift unter diesen Brief setzen. Hm, aber die dort waren ja nicht auf den Kopf gefallen, oder? Es konnte gut möglich sein, daß sie Sachverständige für Graphologie heranzögen, Wissenschaftler von auswärts, die mit dem Finger auf ihn zeigten, ohne daß er A noch O sagen könnte. Seit zehn Jahren schon schrieb er Briefe, anonyme selbstverständlich, und jedesmal fehlte ihm die Courage, sie auch abzusenden. Doch vielleicht war jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen?
      Man kann nie wissen, sagte er sich, besser abwarten und Tee trinken.
    Und mit Bedauern, während seine Frau aus dem anderen Zimmer ihn schon zu Tisch rief, nahm er den noch tintennassen Brief und zerriß ihn.
    »Euer Ehren, was möchten Sie tun? Kommen Sie herunter zum Essen?«
    »Ich habe keinen Appetit.«
    »Also was soll ich dann machen? Soll ich runtergehen?«
    »Nein. Ist der Rauch zu erkennen?«
    »Noch immer nicht.«
    »Und deshalb rührst du dich nicht vom Fleck.«
    »Seht nur, von Norden her steigen Regenwolken auf!«
      »Aber wenn doch die Sonne scheint, was das Zeugs hält!«
      »Das mag wohl so sein, doch gleich werden Sie spüren, daß die Sonne verschwindet.«
      »Dann wirst du mir eben den Schirm halten, wenn es regnet. Auf alle Fälle weiche ich nicht von der Stelle.«

    Wie vor den Kopf geschlagen, läßt er sich auf den Stuhl fallen. Alles hätte er sich erwartet, nur nicht eine solche Begrüßung und das Gesicht, das Saverio Fede in diesem Augenblick macht: Er ist ihm entgegengegangen, hat ihn am Arm genommen, ihn zum Schreibtisch geleitet und reicht ihm gerade ein Glas Wasser mit Anisgeschmack, das er in einem Zug leert. Er ist völlig aus dem Häuschen, es hat ihm die Sprache verschlagen. Und soeben fragt ihn Saverio Fede, der breit lächelnd vor ihm sitzt, welchem Umstand er seinen Besuch zu verdanken habe. Er aber verliert weiterhin Zeit, und die zwei Lagerburschen gehen am Schreibtisch vorüber, grüßen und sind schon draußen: Es ist Essenszeit.
    »In genau einer halben Stunde seid ihr wieder hier, heute haben wir Arbeit!« schreit Saverio Fede ihnen hinterher. Dann wendet er sich erneut Nenè Barbabianca zu und fragt: »Also was gibt's, Don Nenè?«
      Als wäre in seinem Innern ein Korken geplatzt, ergießt sich ein Strom von Worten und Seufzern über seine Lippen, er kann einfach keinen Riegel vorschieben, und die ganze Verbitterung und Wut des Vormittags nimmt Gestalt im weißen Speichelschaum an seinen Mundrändern an. Als er endlich die Bitte um die fünftausend Kantar vorgebracht hat, läßt er sich erschöpft gegen die Stuhllehne fallen und schließt beinahe ohne es zu merken die Augen.
    Wie der barmherzige Samariter erhebt sich Saverio Fede
    und kehrt mit einem zweiten Glas acqua con zammú zurück,

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