Das launische Eiland.
setzen. Denn selbst wenn dieser keinen direkten Nutzen daraus ziehen konnte, war er durchaus in der Lage, eine Revolution anzuzetteln und einer Frau den Ehebruch ihres Mannes zu stecken – einfach nur so, um nicht aus der Übung zu kommen. Und man mußte sich erst mal vorstellen, wie er sich verhielt, wenn irgendein Unglücksrabe ihm im Beichtstuhl (wo er sich im übrigen nicht oft blicken ließ) eine Angelegenheit hinterbrachte, aus der er Profit ziehen konnte! Padre Imbornone aß seelenruhig, konnte er ja nicht wissen, daß Filippa ihn einen Monat später, gerade als sie ihm das halbe gebackene Zicklein auftischen wollte, mit dem Kopf im Suppenteller mitsamt dem halben Dutzend aufgeschlagenen Eiern vorfinden würde: Gehirnschlag. Und niemals hätte er folglich erfahren, daß, kaum war sein Tod bekannt, ein einfacher Mann, der sich bislang um Mühlen und Teigwarenherstellung gekümmert hatte, plötzlich von der Muse geküßt werden würde: Anders kann man es nicht benennen und erklären, wieso dieser Mann, kaum war ihm die Nachricht zu Gehör gekommen, wie der Blitz aus dem Haus rannte und den Gemeindeausrufer schmierte, damit der durch die Straßen ging und schrie: »Hat jemand ein Päckchen in die Hölle zu schicken, so kann er es jetzt tun: Padre Imbornone ist nämlich hin.«
Er machte sich also die Mühe, seinen Mitbürgern verkünden zu lassen, falls sie irgendwelche Verwandten in den Tiefen des Infernos hätten, jetzt die Gelegenheit gekommen sei, ihnen etwas zukommen zu lassen. Über den letzten Bestimmungsort Padre Imbornones bestanden nämlich keinerlei Zweifel.
Beim Essen saß auch Ciccio Lo Cascio, der Don Totò Barbabianca den Betrug mit der Schwefelmine Trasatta bis ans Ende seiner Tage übelnahm. Ungeachtet der Proteste seiner Gattin Elvira hatte er sich ein Glas Wein randvoll eingeschenkt; zwanzig Jahre waren es jetzt her, daß er wegen der Lebersteine keinen Tropfen mehr gekostet hatte. Jetzt aber führte er sich genießerisch zwischen jedem Gang einige Schlückchen zu Gemüte.
Ebenfalls zu Tisch war auch Filippo Ingrassia, den man »den Dichter« nannte, da er im Wahlkampf des Vorjahrs vier Verse deklamiert hatte, die beim Volk auf Zustimmung gestoßen waren:
Gegessen haben wir
Und getrunken,
Nieder mit Gallo,
Es lebe Scaduto!
Auch jetzt schwirrten ihm allerlei Reime durch den Kopf: ein Epitaph für die Grabstätte der Firma Barbabianca, das er rechtzeitig bis zum Abend zu Papier gebracht haben mußte.
Paolo Attard, der ein Stockwerk unter Filippo Ingrassia wohnte, speiste zu Mittag. Er wurde »das Wiesel« genannt, nicht nur wegen seiner Geschicklichkeit, mit der er die verstecktesten Absichten der anderen ans Tageslicht beförderte, sondern auch wegen seines schlingernden Gangs. In der Politik waren er und Ingrassia Todfeinde – wenn sie sich auf der Haustreppe begegneten, wurde es immer problematisch: Jeder von ihnen verkündete dann, er würde ausziehen, doch Gewohnheit und Bequemlichkeit behielten die Oberhand –, und deshalb hatte Paolo Attard den Vierzeiler von Filippo Ingrassia mit einem außerordentlichen Intelligenzstreich neutralisiert:
Gegessen haben wir
Und getrunken,
Nieder mit Gallo,
Es lebe Scaduto!
»Auch die Umkehrung der Faktorenanordnung ändert nichts am Ergebnis«, lautete der Kommentar des Marchese Curtò di Baucina, der gerade eine passierte Gemüsesuppe und ein Glas Milch zu sich nahm (In der Politik sind sie doch alle gleich: jeden Augenblick in der Lage, dem Volk eins reinzuwürgen).
Er war ein Mann voller Widersprüche: So knauserig er war – er konnte schon wegen eines Buketts Brokkoli auf einen schießen lassen –, war er auch wiederum sehr weitsichtig, was die Ideen der Sozialreform anging, die er im Zirkel der Adligen vorzutragen beliebte. Die Wucht und die Überzeugungskraft seiner Worte waren dermaßen groß, daß er nicht nur bei denen seines Stands als echter Revolutionär galt, sondern sogar bei den Arbeitern in seinen Minen, die sich beinahe glücklich priesen, weniger Lohn zu erhalten, um des Preises willen, unter einem so liberalen Herrn dienen zu dürfen.
Von Alajmo bis Zizza aßen alle zu Mittag, aber es war nicht die übliche Eßweise wie an den anderen Tagen: Wer es sich für gewöhnlich gemütlich machte, hatte jetzt Eile, und umgekehrt; wer ein Weintrinker war, brachte jetzt nur Wasser herunter, und umgekehrt; wer immer nur den zweiten Gang zu sich nahm, hätte jetzt auch gern den ersten gewollt, und umgekehrt.
Nicht
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