Das launische Eiland.
vorübergehender Art gewesen – und wußte, daß das Nein der Gebrüder Munda dieses Mal tatsächlich das sichere Ende, den vollständigen Ruin bedeuten würde. Im Lager von Fela hatte er wesentlich hartnäckiger als nötig auf seiner Forderung bestanden und sich darauf versteift, ihnen die Verschwörung gegen Don Totò in Vigàta darzulegen, doch er war bei ihnen auf Granit gestoßen. Inmitten der Auseinandersetzung überfiel ihn große Müdigkeit; er begriff, daß mit den beiden zu reden das gleiche war, wie einem Ochsen ins Horn zu blasen: Selbst wenn er zu Kreuze gekrochen wäre, hätte er kein Gramm Schwefel von ihnen erhalten. Sicherlich hatte der weitblickende Don Ciccio Lo Cascio es verstanden, sich in Fela Rückendeckung zu verschaffen, und einen besseren Beweggrund als den von Don Totò gefunden, um die Gebrüder Munda auf seine Seite zu bringen.
»Ich verstehe und schätze Eure Ergebenheit gegenüber Don Totò«, hatte Mario Munda zu ihm gesagt, ohne ihm in die Augen zu schauen, und seine Geste sprach Bände. »Aber auch uns müßt Ihr verstehen. Don Totò würden wir sogar unser Leben schenken, wenn er uns darum bitten würde. Aber Schwefel nicht, für den Augenblick haben wir keinen. Will er vielleicht Geld? Will er unsere Lagerhallen? Er soll sie ruhig nehmen, sie gehören ihm. Wir haben keinen Schwefel und wissen auch nicht, wo wir welchen auftreiben könnten.«
»Ihr habt ihn gern wie einen Vater«, hatte Fofò Munda seine Rede fortgesetzt, und bei diesen Worten konnte er nicht länger an sich halten und tat einen Schritt nach vorn. Wäre es nicht wegen des Galopps von Vigàta nach Fela und des Schreckens und der Nervosität und der Eile gewesen, wären ihm Fofò Mundas Worte ins eine Ohr rein- und zum anderen wieder rausgegangen. Sagten sie es ihm jetzt endlich auf den Kopf zu, was man sich seit Jahren im Dorf und in der Umgebung zusäuselte: daß sein Vater nämlich ein Hahnrei war, der darum wußte, daß seine Mutter Don Totò zu Willen war? Ansonsten ließe sich nicht erklären, warum Barbabianca, ein Mann, der keinem sein Herz öffnete, ihn stets so außerordentlich gern gehabt hatte, daß er ihm sogar seine Studien bezahlt, ihn in sein Geschäft genommen und ihn genauso behandelt hatte wie seine eigenen Söhne, ja er hatte ihm sogar die Anzüge von seinem Schneider anfertigen lassen. Doch Fofò Munda hatte die Bedrohung gespürt, die von seinem Schritt nach vorn ausging, und war in Deckung gegangen, so wie die Schnecke die Fühler einzieht, wenn sie auf ein Hindernis trifft. Dabei hatte er undeutliche Worte des Bedauerns gemurmelt, Don Totò nicht helfen zu können. Als Vigàta unter ihm lag, noch eine Wegstunde auf dem Maultier entfernt, wurde Moriones klar, daß es ihm nicht an Mut fehlte, Don Totò die schlechte Nachricht zu überbringen, sondern sein Herz nicht mitspielte. Im übrigen wußte er, daß es zwischen ihm und seinem Herrn keiner Worte bedurfte, ein Blick genügte, um sich einen ganzen Roman zu erzählen. Er fühlte sich wie ausgehöhlt. Ganz langsam und ein wenig benommen stieg er vom Maultier und blickte um sich, als wäre ihm die Gegend, durch die er schon Tausende und Abertausende Male geritten war, vollkommen fremd, dann setzte er sich auf die Erde und lehnte die Schultern gegen einen Mandelbaum. Nahe bei seiner rechten Hand wuchs ein Büschel Sauerampfer, vor sich hin träumend riß er eine Handvoll davon aus und führte ihn zum Mund. Der saure, aber nicht strenge, sondern erfrischende Geschmack des Krauts hatte ihm immer schon gemundet, auch als Erwachsener. Sein Herz war schwer wie Blei, doch mit diesem Geschmack im Mund bekam er sofort Lust, loszurennen und sich inmitten des Grases zu wälzen; die Leere von zuvor füllte sich langsam mit unangebrachter Heiterkeit. Der erste Gedanke, der ihm durch den Kopf schoß, war ein sehr verräterischer: Vielleicht verspürte er, ohne daß es ihm bewußt war, sogar Zufriedenheit ob des bevorstehenden Endes von Don Totò. Aber aus welchem Grund, hatte er doch von diesem Mann immer nur Gutes erfahren? Kaum hatte er sich diese Frage gestellt, durchfuhr ihn wie ein Feuerstrahl die Erkenntnis, die seine Heiterkeit sehr viel besser als jede langwierige Überlegung erklärte: Wenn einer zuweilen gegen sein eigenes Blut aufbegehrt, geschieht das aus keinem anderen Grund als dem, daß der Mensch eben Mensch ist; und der heftigste und am tiefsten reichende Haß entsteht zwischen zwei Brüdern oder zwischen Vater und Sohn – ein
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