Das launische Eiland.
von dem Anstieg, den wir machen, und andererseits von der Situation, in die Totò Romeres gerade hineinschlittert.«
»Das vom Esel und vom Löwen!« meinte der Marchese prompt.
»Ich sehe, Sie haben mich im Nu verstanden.«
»Es handelt sich um ein Gedicht«, erklärte der Marchese Lemonnier, »das von einer Abmachung zwischen einem Esel und einem Löwen erzählt, die gemeinsam ein Stück Weg zurücklegen müssen. Um sich Mühen zu sparen, beschließen beide folgendermaßen vorzugehen: Die erste Wegstrecke macht der Löwe auf dem Buckel des Esels, und die zweite legen sie genau in umgekehrter Formation zurück. Doch das erste Stück geht immer nur bergan und der Löwe schlägt, um nicht nach hinten wegzurutschen, seine Krallen ins Fleisch des Esels. Der Esel protestiert, Blut fließt, er leidet, doch er ist machtlos – das ist nun einmal ihre Vereinbarung. Um sich auf dem Rücken des Esels festzuhalten, muß der Löwe zwangsläufig so handeln, dahinter steckt keine böse Absicht. Dann beginnt das zweite Wegstück, und der Esel steigt auf den Löwen. Doch jetzt geht die Straße steil bergab, und der Esel läuft Gefahr, sich das Genick zu brechen, wenn er nach vorne rutscht. Doch da der Esel keine Krallen hat wie der Löwe, sondern nur Hufe ohne Haltevorrichtung, bleibt ihm nichts anderes übrig als…«
An dieser Stelle hielt er inne, um mit einem Blick Padre Imbornone die heiße Kartoffel weiterzureichen.
»…das sogenannte fünfte Bein auszufahren, das beim Mann, wie man sagt, das dritte ist«, setzte Padre Imbornone über beide Backen strahlend fort, »und es, ohne sich um das Geschrei des Löwen zu kümmern, mit einem einzigen Hieb in das richtige Loch zu stecken und sich dort zu verankern.«
»Eben, unser guter Romeres ist in diesem Moment so wie der arme Löwe auf dem Weg bergab, nachdem er über viele Jahre lang den Löwen bergaufwärts gespielt hatte«, schloß der Marchese.
Selbst Lemonnier mußte lachen, und sie setzten ihren Weg treppauf fort.
»Du gute Mutter Gottes«, sagte Nino bei sich. »Wieso habe ich ihn nicht früher gesehen?«
Er hatte sich unter eine Pergola am Ende der Terrasse zurückgezogen, an der der Wind riß und Stücke mit forttrug. Mit einemmal hatte er nicht nur die Rauchsäule vor Augen, sondern klar und deutlich den ganzen Dampfer, den das Fernglas so nah herangeholt hatte, daß man selbst die Nasenhaare der Bordmitglieder sehen konnte. Don Angelino Villasevaglios thronte in der Mitte der Terrasse unbeweglich auf seinem Stuhl, den Kopf auf die Brust gesenkt, den Hut tief über die Ohren gezogen, damit die Windstöße ihn nicht forttrugen, und sah aus wie eine Vogelscheuche im Kornfeld. Nino hatte den Eindruck, als sei der Alte in bleiernen Schlaf gefallen. Vorsichtig schlich er von der Pergola zum Mäuerchen. In seinem Innern rang er mit sich: Sollte er den so oft wiederholten Befehl, sofort den Rauch zu melden, sobald er ihn gesichtet habe, ausführen oder der Versuchung nachgeben, seinen Padrone schlafen zu lassen, damit er sich vielleicht ein wenig beruhigte; seit heute früh benahm er sich nämlich so, als hätte er einen ganzen Essigschwamm verschluckt. Nun, wenn er ihm ohne lang zu fackeln sagte, daß sich das Dampfboot näherte, dann hätte der ganze Zinnober ein Ende, und sie könnten ins Haus hineingehen, weg von diesem Windbrausen, das ihn ganz blöd im Kopf werden ließ. Gerade hatte er das Fernglas wieder ans Auge gesetzt, als er zu Tode erschrak: Fünf Finger, aus dem Nichts kommend, krallten sich derart fest in seine Schulter, daß er für einen Augenblick glaubte, es wären die Zähne eines Tiers.
»Man sieht den Rauch? Hm? Ist der Rauch zu sehen?«
Grau im Gesicht, war Don Angelino an seine Seite getreten und grapschte nach ihm, während er es noch immer nicht fassen konnte, wie der Alte sich hatte erheben und so zielstrebig vorwärts gehen können.
»Ja, ja. Auch das Schiff ist zu sehen.«
»Gib mir das Fernglas, los, mach schon.«
Völlig vor den Kopf geschlagen, reichte Nino es ihm.
»Tritt hinter mich.«
Ohne eine Silbe zu sagen, stellte Nino sich hinter ihn. Er spürte, daß Don Angelino zitterte, als hätte er einen Malariaanfall, während er das Fernglas an die Augen setzte.
»Ziel damit auf den Rauch.«
Nino faßte Don Angelino an den Schultern und richtete seinen Padrone zum Dampfschiff hin aus.
Jetzt dreht er völlig durch, dachte er, der ist doch schon seit hundert Jahren blind! Hat er das etwa
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