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Das launische Eiland.

Das launische Eiland.

Titel: Das launische Eiland. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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aufgetragen wurde. Donna Matilde kehrte zum vorherigen Ton zurück.
    »Aber du, Tano, was sagst du dazu?«
      »Ich sage, daß es besser ist, wenn Sie gehen. Euer Ehren können ruhig hingehen, aber es ist sinnlos, daß Sie Essen mitnehmen.«
    »Warum sollte ich dann überhaupt hingehen?«
    »Weil es besser so ist.«
      Bei diesen Worten stand Donna Matildes Herz einen Augenblick still, und sie, die nie schwitzte, spürte, wie ihr Schweißtropfen auf die Stirn traten und bis zu den Mundwinkeln hinunterliefen. Tano wollte also, daß sie in diesem Augenblick an Totòs Seite wäre: Aber zu welchem Zweck? Um ihn zu trösten? Um ihn vor einem unbedachten Schritt zu bewahren? Sie erhob sich, beide Hände auf die Tischplatte gestützt, dennoch schwankte sie ein wenig. Mit einem Sprung war Tano neben ihr und bereit, sie zu stützen. Sie blickten sich in die Augen.
      »Ich kann nicht hingehen, Tano«, sagte Donna Matilde mit leiser Stimme. »Und wenn mich jemand sieht? Soll ich mich vielleicht zum Gespött des ganzen Dorfes machen?«

    Als die Sonne hinter den regenschweren Wolken, die von Norden her aufzogen, verschwunden war, spürte Blasco Moriones, daß er nach drei Stunden, die er durch die Gegend gehetzt war, endlich wieder durchatmen konnte. Der Knoten im Hals lockerte sich mit einem Schlag. Er ließ das Maultier anhalten, sein Blick schweifte aus der Höhe des Toter-Mann-Hügels über das weißrote Dächermeer von Vigàta. Er beobachtete das Meer, das immer heftiger toste, hohe Wellen liefen in rascher Abfolge über den Strand, brachen sich wild schäumend an den Hafenausläufern. Im Innern fühlte er sich jedoch nach wie vor wie leergepumpt, die Rennerei hatte ihn nicht zufriedengestellt und ihm schon gar nicht sein inneres Gleichgewicht wiedergegeben – seine wahre Stärke seit eh und je. Hoffnungsvoll hatte er sich auf den Weg nach Fela gemacht, dank reichlicher Erfahrung hatte er zu wissen geglaubt, daß die Gebrüder Munda auch dieses Mal ihren Dienst nicht verweigern würden; er war aufgebrochen mit der Gewißheit, Don Totò bald wieder unter die Augen zu treten, um ihm zu sagen, daß alles in Ordnung sei und in der Nacht auf alle Fälle die fünftausend Kantar Schwefel, Leihgabe der Gebrüder Munda, auf dem Schienenweg, auf Karren, ja falls nötig selbst auf den Schultern getragen in Vigàta eintreffen würden. Nie hatte er sich die Frage stellen wollen, was eigentlich der Grund dafür war, daß die Mundas Don Totò jederzeit zu Diensten standen. Einmal hatte er mit halbem Ohr eine wirre Geschichte diesbezüglich gehört. Angeblich hatte Don Gerlando Munda, Vater der zwei Brüder, auch im hohen Alter einen unruhigen Schlaf, da es ihn immer nach zartem Frischfleisch gelüstete. Und eines Tages war es dann passiert: In einem Heuschober hatte sich die Tochter Peppe Indelicatos gewissen Sonderwünschen Don Gerlandos verweigert, der den Schimpfnamen »der Grieche« trug, weil er sich der perversen Vorliebe verschrieben hatte, nach der die Griechen, wie es heißt, verrückt sind. Genug, ein Wort ergab das nächste, auf alle Fälle verlor Don Gerlando den Kopf, und das Mädchen zwischen seinen Schenkeln war plötzlich tot. Just in diesem Augenblick und rein zufällig ging Don Totò Barbabianca am Heuschober vorbei. Ohne mit der Wimper zu zucken, schaffte er die ganze Geschichte aus der Welt, hob sogar eine drei Meter tiefe Grube für das tote Mädchen aus, denn Don Gerlando war zu nichts mehr zu gebrauchen. Nun, Tatsache war, daß die Tochter von Peppe Indelicato eines schönen Tages spurlos vom Erdboden verschwunden war; Tatsache war ebenfalls, daß Peppe Indelicato von Don Gerlando Munda für einen Appel und ein Ei einen schönen Olivenhain erwerben konnte, mit dem er ein Vermögen machte; hundertprozentig richtig war, daß Don Gerlando und Don Totò, die sich früher kaum gegrüßt hatten, mit einemmal Herzensfreunde geworden waren; und es entsprach außerdem der vollen Wahrheit, daß Don Gerlando auf dem Totenbett zu seinen Söhnen gesagt hatte: »Paßt auf Don Totò auf.«
      Böse Zungen ergingen sich in der Auslegung dieses Verbs, kreisten darum herum wie Fliegen um den Scheißhaufen und berieten, ob dieses »Paßt auf« »Kümmert euch um ihn« oder, das war die Ansicht der meisten, »Hütet euch vor ihm« bedeuten sollte.
    Seit zwanzig Jahren hing Blasco Moriones wie ein Blutegel an den Glücks- wie an den Unglücksfällen Don Totòs – letztere waren bis zu jenem Zeitpunkt jedoch nur

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