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Das launische Eiland.

Das launische Eiland.

Titel: Das launische Eiland. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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darüber zu treffen hatte, verlieh er ihr zu Ehren seines Königs den Namen »Ferdinandea«; aus Deutschland kam flugs wie der Wind der Professor Hoffman herbei, der die Insel, phantasie- und interesselos, wie er war, überhaupt nicht taufte und sich darauf beschränkte, sie zu beobachten, während Kapitän Currao, der die Insel ganz für sich »Curraa« genannt hatte und damit die zwanzigjährige Freundschaft mit Kapitän Trifiletti zerstörte, der es sich erlaubt hatte, der Insel den Namen »Trifiletta« zu verpassen, gegen Bezahlung mindestens zweimal am Tag die Neugierigen aus Vigàta hierher transportierte. Bei diesem ganzen wissenschaftlichen Eifer beschränkten sich die Engländer darauf, ihren Kutter »Hind« zusammen mit dem Kapitän Jenhouse zu schicken, der eines schönen Tages an Land ging, ein paar Schritte tat, die britische Flagge hißte und die Insel, wer weiß warum, »Graham« nannte. Das englische Banner komplizierte die Dinge sofort. Als man Ferdinand von Bourbon davon berichtete, der in jenen Tagen Sizilien besuchte, ließ ihn, der gerade erst den Thron bestiegen hatte, diese Notiz ziemlich kalt. Natürlich erinnerte er sich an die Geschichte seines Vaters, dem zu Ehren im Jahr 1801 von dem Astronomen Padre Piazzi ein gerade erst entdeckter kleiner Planet benannt wurde, und just im selben Jahr sah er sich gezwungen, den für ihn ruinösen Frieden zu Florenz zu unterzeichnen. Als einzigen Kommentar zitierte Ferdinand I. an den Herzog von Carcaci gewandt ein sizilianisches Sprichwort: »Schönes Zeugs habe ich dort in Frankreich, und hier gehe ich ein vor Kälte.«
      Doch die Insel war sehr viel näher als das siderale »Frankreich«, in dem sich der Planetoid befand, und Ferdinand der Jüngere beschloß, in Bälde die Kanonenkorvette »Etna« loszuschicken, um auf seine Weise den expansionistischen Bestrebungen der Engländer Einhalt zu gebieten. Die Insel bestand, wie Benedetto Marzolla, Beamter im Königlich-Topographischen Amt, schrieb, der sich eigens um der »Ferdinandea« willen von Neapel aus auf dem Dampfboot »Francesco I« herbemüht hatte, »aus einer ebenen Fläche, die knapp drei Handbreit über dem Meeresspiegel liegt und mit feinem, aber schwerem schwarzen Sand sowie kleinen Lavabrocken und leichten, porösen Gesteinsschlacken bedeckt ist. So ziemlich in der Mitte der Insel erhebt sich ein kleiner Hügel aus Sand, ähnlich dem in der Ebene, und bröseligen Schlacken. Nördlich von dieser Erhebung liegt ein kleiner Teich mit ungefähr hundertsechzig Handbreit Umfang, der kochendheißes Wasser enthält und über dem Rauch wabert. Die Insel hat einen Gesamtumfang von circa zweitausend Handbreit, wie drei akkurat durchgeführte Messungen ergeben haben.«
    Rechnete man alles zusammen, handelte es sich demnach um ein Fleckchen Land von etwa der Größe eines Handtuchs, das dennoch groß genug war, um zwei oder drei Kriegsschiffen Unterschlupf oder Stützpunkt zu bieten. Sei es, um seinem Namen Ehre zu machen, sei es, weil er als Neapolitaner gezwungen war, wie ein Neapolitaner zu handeln, gab Pasqualino Pace, der Kommandant der bourbonischen Kanonenkorvette, dem Kapitän Jenhouse, der ihn fragte, was ihn denn auf die Insel geführt habe, zur Antwort, daß er allein zu dem Zweck gekommen sei, die genauen Längen- und Breitengrade zu vermessen. Dann wolle er wieder nach Neapel zurückkehren, wo ihn Frau und Kinder erwarteten. Bei Nacht und Nebel jedoch ließ er die englische Flagge verschwinden und ersetzte sie durch die bourbonische. Es hatte den Anschein, als würde Jenhouse diesen Schlag einstecken, und drei ganze Tage lang streiften die Seeleute der »Etna« über die Insel und wollten nicht einmal das Gesicht wahren und Messungen und Berechnungen durchführen. Bis dann am vierten Tag die mächtige englische Fregatte »Simpson« am nördlichen Horizont auftauchte. Sie stand unter dem Kommando von Kapitän Douglas, dem der Ruf vorauseilte, ein Mann zu sein, dem jener Humor gänzlich abging, mit dem sich die Engländer für gewöhnlich brüsten. Beim Sichten der Fregatte setzten sich von Vigàta und Umgebung aus zweiunddreißig Fischerboote, vollgestopft mit Vigatesern unter dem Kommando von Mariano Currao, in Bewegung, der fest entschlossen war, nicht auf die Insel zu verzichten. Kühnen Muts zitierte er vor Douglas – der nicht eine Silbe Italienisch sprach, geschweige denn Curraos Sizilianisch verstehen konnte – einen Aufruf aus der Feder des Advokaten Tumminello, der es

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