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Das Lavendelzimmer: Roman (German Edition)

Das Lavendelzimmer: Roman (German Edition)

Titel: Das Lavendelzimmer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina George
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Sachbücher für das Umdenken, Gedichte für die Würde.« Bücher über das Träumen, über das Sterben, über die Liebe und über das Leben als Künstlerin. Er legte ihr mystische Balladen zu Füßen, alte, rauhe Geschichten über Abgründe, Stürze, Gefahren und Verrat. Bald war Anna von Stapeln Literatur umgeben wie sonst eine Frau im Schuhladen von Kartons.
    Perdu wollte, dass sich Anna wie in einem Nest fühlte. Dass sie sich der Unendlichkeit bewusst wurde, die Bücher boten. Es würden immer genug da sein. Sie würden nie aufhören, einen Leser, eine Leserin zu lieben. Sie waren das Verlässliche in allem, was unberechenbar war. Im Leben. In der Liebe. Nach dem Tod.
    Als dann noch Lindgren mit einem kühnen Sprung auf Annas Schoß landete und es sich, Pfote über Pfote, schnurrend auf ihr bequem machte, lehnte sich die überarbeitete, unglücklich verliebte, ständig schuldbewusste Werbefrau zurück. Ihre hochgezogenen Schultern lockerten sich, ihre in den Fäusten versteckten Daumen kamen hervor. Ihr Gesicht entspannte sich.
    Sie las.
    Monsieur Perdu beobachtete, wie ihr das, was sie las, von innen heraus Kontur verlieh. Er sah, dass Anna einen Resonanzboden in sich entdeckte, der auf Worte reagierte. Sie war die Geige, die lernte, sich selbst zu spielen.
    Monsieur Perdu erkannte Annas kleines Glück, und etwas krampfte sich in seiner Brust zusammen.
    Gibt es denn kein Buch, das mich lehrt, das Lebenslied zu spielen?

7
    A ls Monsieur Perdu seine Schritte in die Rue Montagnard lenkte, fragte er sich, wie Catherine diese heiterstille Straße inmitten des hektischen Marais wohl empfand. »Catherine«, murmelte Perdu. »Ca-the-rine.« Es war ganz leicht, ihren Namen auszusprechen.
    Wirklich erstaunlich.
    War die No. 27 ein ungeliebtes Exil? Sah sie die Welt durch den Makel, den ihr Mann ihr angehängt hatte, durch das »Ich will dich nicht mehr«?
    In diese Gegend verirrte sich nur selten jemand, der hier nicht wohnte. Die Häuser waren nicht höher als fünf Stockwerke, und jedes besaß eine andersfarbige Fassade in Pastelltönen.
    Auf der Rue Montagnard abwärts flankierten ein Friseur, ein Bäcker, die Weinhändlerin und der algerische Tabakverkäufer die Straße. Der Rest bestand aus Wohnungen, Praxen und Büros, bis zum Wendekreisel.
    Dort thronte das Ti Breizh, ein bretonisches Bistro mit roter Markise, dessen Galettes zart und würzig waren.
    Monsieur Perdu legte nun dem Kellner Thierry ein E-Book-Lesegerät hin, das ihm ein hektischer Verlagsvertreter dagelassen hatte. Für Vielleser wie Thierry, der seine Nase sogar zwischen zwei Bestellungen in ein Buch steckte und sich einen krummen Rücken vom Bücherschleppen geholt hatte (»Ich kann nur atmen, wenn ich lese, Perdu«), waren diese Geräte die Erfindung des Jahrhunderts. Für Buchhändler ein weiterer Sargnagel.
    Thierry lud Perdu zu einem Lambig, dem bretonischen Apfelbrand, ein.
    »Heute nicht«, wehrte Perdu ab. Er sagte das jedes Mal. Perdu trank keinen Alkohol. Nicht mehr.
    Denn wenn er trank, öffnete er mit jedem Schluck die Staumauer, an die sich ein schäumender See von Gedanken und Gefühlen presste, ein Stück weiter. Er wusste das, er hatte das Trinken damals probiert. Es war die Zeit der zerbrochenen Möbel gewesen.
    Heute aber hatte er einen außergewöhnlichen Grund, Thierrys Einladung auszuschlagen: Er wollte Madame Catherine, die ehemalige Le P., so schnell wie möglich die »Bücher zum Weinen« bringen.
    Neben dem Ti Breizh ragte die grün-weiße Markise des Lebensmittelhändlers Joshua Goldenberg hervor. Als Goldenberg ihn kommen sah, stellte er sich Perdu in den Weg.
    »Monsieur Perdu, sagen Sie …«, begann Goldenberg verlegen.
    O nein. Er wird doch jetzt nicht nach Softpornos fragen?
    »Es geht um Brigitte. Ich glaube, das Mädchen wird zur, tja, äh, zur Frau. Und das bringt ja gewisse Probleme. Sie wissen, was ich meine? Haben Sie dagegen ein Buch?«
    Zum Glück wurde es kein Von-Mann-zu-Mann-Gespräch über Einhandliteratur. Es ging nur um einen weiteren Vater, der an der Pubertät seiner Tochter verzweifelte und sich fragte, wie er die Sache mit der Aufklärung erledigen konnte, bevor sie auf den falschen Mann traf.
    »Kommen Sie doch mal zur Elternsprechstunde.«
    »Ich weiß nicht, also, vielleicht sollte eher meine Frau …?«
    »Gut, dann kommen Sie beide. Erster Mittwochabend im Monat, zwanzig Uhr. Sie beide könnten danach noch etwas essen gehen.«
    »Ich? Mit meiner Frau? Aber wieso das denn?«
    »Sie würde sich

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