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Das Lavendelzimmer: Roman (German Edition)

Das Lavendelzimmer: Roman (German Edition)

Titel: Das Lavendelzimmer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina George
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um aus der Wohnung zu kommen und sich reihum dem Studium kolorierter Damenliköre zu widmen.
    Meist votierten die Damen für erotische Werke. Perdu steckte diese Literatur bei Lieferung in diskretere Schutzumschläge: Flora der Alpen für Das sexuelle Leben der Catherine M., Provenzalische Strickmuster für Duras’ Der Liebhaber, Marmeladenrezepte aus York für Anaïs Nin und Das Delta der Venus. Die Likörforscherinnen wussten die Tarnung zu schätzen – schließlich kannten die Witwen ihre Anverwandten, die Lesen als exzentrisches Hobby von Leuten verstanden, die sich fürs Fernsehen zu fein waren, und Erotik unnatürlich bei Damen über sechzig.
    Doch kein Rollator schob sich ihm in den Weg.
    Im zweiten Stock wohnte die Pianistin Clara Violette. Perdu vernahm sie Czerny-Läufe üben. Sogar Tonleitern hörten sich unter ihren Fingern brillant an.
    Sie zählte zu den fünf besten Pianistinnen der Welt. Aber da sie es nicht ertragen konnte, wenn jemand mit ihr im selben Raum war, während sie spielte, blieb ihr der Ruhm versagt. Im Sommer gab sie Balkonkonzerte. Dann öffnete sie jedes Fenster, und Perdu schob ihren Pleyel-Flügel neben die Balkontür und positionierte ein Mikrofon unter dem Instrument. Dann spielte Clara, zwei Stunden lang. Die Bewohner der No. 27 saßen auf den Stufen vor dem Haus oder stellten Klappstühle auf den Bürgersteig, Fremde drängten sich im Ti Breizh an den Tischen. Wenn Clara nach dem Konzert auf ihren Balkon rollte und sich, schüchtern nickend, verbeugte, dann applaudierte ihr schier eine halbe Kleinstadt.
    Perdu brachte den restlichen Weg nach oben ungestört hinter sich. Als er den vierten Stock erreichte, sah er, dass der Tisch verschwunden war; vielleicht hatte Kofi Catherine geholfen.
    Er klopfte an ihre grüne Tür und bemerkte, dass er sich darauf gefreut hatte, es zu tun.
    »Hallo«, flüsterte er. »Ich habe Bücher mitgebracht.«
    Er lehnte die Papiertüte an die Tür.
    Als Perdu sich aufrichtete, öffnete Catherine.
    Blondes kurzes Haar, der perlgraue Blick unter zarten Augenbrauen misstrauisch und doch weich. Sie ging barfuß und trug ein Kleid mit einem Ausschnitt, der nur ihre Schlüsselbeine sehen ließ. Sie hielt ein Kuvert in der Hand.
    »Monsieur. Ich habe den Brief gefunden.«

8
    E s waren zu viele Eindrücke auf einmal. Catherine – ihre Augen – das Kuvert mit der blassgrünen Schrift – Catherines Nähe – wie sie roch – die Schlüsselbeine – das Leben – der …
    Brief?
    »Ein ungeöffneter Brief. In Ihrem Küchentisch war er, in der Schublade, die ganz mit weißer Farbe übermalt war. Ich habe sie geöffnet. Der Brief lag unter dem Korkenzieher.«
    »Aber nein«, sagte Perdu höflich, »da war kein Korkenzieher.«
    »Aber ich habe …«
    »Haben Sie nicht!«
    Er hatte nicht so laut werden wollen, aber er schaffte es auch nicht, den Brief anzusehen, den sie hochhielt.
    »Verzeihen Sie bitte, dass ich Sie angeschrien habe.«
    Sie hielt ihm das Kuvert entgegen.
    »Aber der gehört mir nicht.«
    Monsieur Perdu ging rückwärts in Richtung seiner Wohnung.
    »Verbrennen Sie ihn am besten.«
    Catherine folgte ihm. Sie sah ihm in die Augen, da schlug eine Gerte aus Hitze durch sein Gesicht.
    »Oder werfen ihn fort.«
    »Aber dann könnte ich ihn doch auch lesen«, sagte sie.
    »Das ist mir egal. Er gehört mir ja nicht.«
    Sie sah ihn immer noch an, als er seine Tür zudrückte und Catherine samt Brief draußen stehen ließ.
    »Monsieur? Monsieur Perdu!« Catherine klopfte. »Monsieur, es steht aber Ihr Name darauf.«
    »Gehen Sie. Bitte!«, rief er.
    Er hatte den Brief erkannt. Die Schrift.
    Etwas in ihm zerbarst.

    Eine Frau mit dunklem Lockenkopf, die eine Abteiltür aufschiebt, erst nach draußen sieht, lange, und sich dann mit Tränen in den Augen ihm zuwendet. Die durch die Provence, durch Paris, durch die Rue Montagnard schreitet und schließlich seine Wohnung betritt. Dort duscht, nackt durch das Zimmer geht. Ein Mund, der sich seinem nähert, im Halbdunkel.
    Nasse, wassernasse Haut, wassernasse Lippen, die ihm den Atem nehmen, seinen Mund trinken.
    Lange trinken.
    Der Mond auf ihrem weichen, kleinen Bauch. Zwei Schatten zwischen einem roten Fensterrahmen, tanzend.
    Wie sie sich dann mit seinem Körper zudeckt.
    *** schläft, auf dem Diwan, im Lavendelzimmer, so hat sie das verbotene Zimmer genannt, eingerollt in ihre provenzalische Patchworkdecke, die sie in ihrer Brautzeit genäht hat.
    Bevor *** ihren Vigneron geheiratet hatte, und bevor

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