Das Leben der Wünsche
Feuerlöscher drunter hält und aufdreht! Er geht mit einem Wasserwerfer auf Kinder los, die einen Hund ärgern. Er läuft allein fünf Hooligans hinterher, die einer Frau die Handtasche weggenommen haben. Einen Monat im Jahr ernährt er sich nur von Wasser und Brot. Er glaubt an Hexen. Er hält das Verbrennen eigener Haare für ein wirkungsvolles Mittel gegen eine Erkältung! Er –
Ich habe es mit seiner Schwester zu tun, Jonas.
Was man so hört, ist er der weniger Seltsame von den beiden. Denkst du daran, dass man sich auf die Zurechnungsfähigkeitseiner Geschäftspartner verlassen können muss? Warst du schon in dieser Boutique, hast du die mal gesehen?
Wozu?
Ich! Ich habe sie gesehen! Und –
Wann hast du sie gesehen?
Ich bin neulich vorbeigefahren. Du wirst staunen, was die da verkauft. Sie scheint sich auf Verkleidungen spezialisiert zu haben. Das ist ein Hexenladen oder so.
Helen hörte ihm nicht zu. Sie zählte auf, welche Möglichkeiten eine biologische Boutique bot, und dabei hantierte sie unablässig mit Vasen und Schüsseln, fasste dies an und rückte jenes zurecht. Jonas musste in die Küche gehen, er hielt den Anblick der in ihrem unförmigen, viel zu weiten schwarzen Hemd durchs Zimmer tanzenden Helen nicht aus. Er kannte sie, heute faszinierte sie das eine, morgen das Nächste, nie währte ihr Enthusiasmus lange, und in ihrer Begeisterung kam sie ihm vor wie eine Schlafwandlerin.
Die Kinder brauchten eine Stunde, um einzuschlafen. Jonas erzählte ihnen eine weitschweifige Geschichte vom roten Hasen, danach eine kürzere vom Waldfisch, bis er endlich gleichmäßiges Atmen rechts und links von seinem Kopf hörte.
Er räumte den Geschirrspüler ein und kümmerte sich um die Katzenkiste. Mit Helen besprach er knapp die kommenden Tage. Am nächsten Morgen fuhr sie in ein Wellnesshotel, ihr Vater hatte ihr diesen Kurzausflug geschenkt.
Und du glaubst, du schaffst das allein mit den Kindern?
Ist es das erste Mal?
Entschuldige.
Sie umarmte ihn von hinten, drückte ihn fest, küsste ihn auf die Wange und ging ins Bad.
Jonas öffnete das Fenster. Er hakte das Moskitogitter aus und steckte den Kopf ins Freie. Es roch nach frisch gemähtem Gras. Die Luft war schwer wie vor einem Gewitter.
Er blickte hinab in den dunklen Hinterhof. Er fühlte sich beklommen. Ihn erfüllte das rätselhafte Gefühl, dass da unten etwas nicht in Ordnung war. Etwas ging vor sich, was nicht recht war.
9
Glaubst du, er war ein Detektiv? fragte Anne, mit kritischem Blick den Sitz seiner Hose prüfend.
Das wüsste ich doch mittlerweile.
Nicht unbedingt. Vielleicht sammelt er im Auftrag des Ehemanns noch Beweise.
Und dann kommt er zu mir?
Er könnte dir ja eine Chance geben wollen. Vielleicht will ihr Mann nur, dass ihr aufhört, er will Skandal und Drama vermeiden, er will einfach seine Ruhe, ihm liegt an Diskretion, und deshalb lässt er euch von dem Detektiv warnen?
Indem der von Wünschen redet, die er mir erfüllen will?
Versuch die andere, sagte sie. Die schwarze mit den Längsstreifen.
Jonas zog sich um. Er probierte auch gleich ein Tunikahemd mit Biesen, das ihm gefiel. Als er aus der Garderobe trat, war Anne nirgends zu sehen. Er stöberte in einem Korb mit verbilligten Ledergürteln. Aus kleinen Lautsprechern drang flotter Pop.
Nach einer Weile sah er Annes violettes Kopftuch in einer Ecke aus der Menge hervorleuchten. Er kontrollierte sein Telefon. Ein entgangener Anruf. In der Mailbox Joeys quäkende Stimme, der fragte, ob sie sich gemeinsam einen Tierfilm ansehen wollten.
Anne schlenderte auf ihn zu. Möglichst unaufdringlichmusterte er sie. Dünn war sie geworden, und sie schminkte sich kaum noch.
Die passt, sagte sie. Das Hemd auch. Was gibt es denn zu gucken?
Ich gucke ja gar nicht. Ich schaue nur.
Er drückte die hölzerne Schwingtür auf und zog seine alte Kleidung wieder an. Vor der Tür räusperte sich Anne.
Willst du mir etwas sagen? rief er hinaus.
Ich wollte dich fragen, ob du auch mal an etwas anderes denkst als an Marie und Helen. Ob dir bewusst ist, wie viel Zeit und Energie du mit dieser Geschichte bindest, die du da angefangen hast. Ob du dich fragst, was am Ende stehen soll. Und ob du zur Abwechslung nicht einfach mal die Dinge ihren Lauf nehmen lassen willst.
Was meinst du damit?
Hör auf, darüber zu brüten, dann lösen sich solche Probleme meist von allein. Das meine ich. Du brauchst mich hier nicht mehr, zahlen kannst du ja ohne Ratschlag. Ruf an, wenn Helen dich
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