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Das Leben der Wünsche

Das Leben der Wünsche

Titel: Das Leben der Wünsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Glavinic
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bezahlen, wenn sie um neun da wäre. Das auf Vibration gestellte Telefon in der Tasche, legte er die Jungen ins Bett und las ihnen eine Geschichte vor. Tom schlief dabei ein. Chris musste er eine zweite erzählen, die so lustig war, dass das Lachen des einen Bruders den anderen aufweckte. Mitten in der dritten Erzählung hörte er rechts und links von sich gleichmäßiges Schnaufen.
    Wegen des grellen Lichts zwinkernd, tappte Jonas hinaus auf den Flur. Eine Nachricht von Irina fand er nicht vor, dafür Katzendreck in der Badewanne. Er hetzte demKater hinterher und schimpfte laut auf ihn ein. Er entfernte Astors Hinterlassenschaft, spülte mit der Brause nach und sprühte Desinfektionsmittel in die Wanne, das für solche Fälle bereitstand. Wenn Astor sich vernachlässigt fühlte, zeigte er es auf diese Weise.
    Jonas schaltete das Licht im Wohnzimmer aus, legte die Beine hoch, schaute in die Dunkelheit und wartete. Es piepste. Eine Nachricht von Helen. Es gehe ihr gut, sie würde sich am nächsten Tag melden. Während er zurückschrieb, rief Marie an.
    Ich hätte Lust auf Tanzen!
    Ich habe hier eine Stereoanlage und ein paar sehr gute CDs.
    Wie bitte?
    Und keinen Babysitter. Komm her!
    Zu dir? In die Wohnung?
    Vielleicht betrachtest du es als Schulung deiner Flexibilität?
    Im Hintergrund hörte er das Getöse einer Espressomaschine. Männer lachten, Rockmusik wurde angespielt, ein Hund kläffte.
    Bist du eingeschlafen?
    Entschuldige, ich muss nachdenken.
    Was gibt es da zu überlegen?
    Er hörte, wie eine Frau Bier bestellte. Ein Mann fragte nach dem Weg zum Bahnhof, ein Telefon läutete.
    Ach, Jonas …
    Ja?
    Liebster, das schaffe ich nicht. Es geht nicht. Deine Kinder könnten aufwachen. Wer ist die fremde Tante auf Papi, und was hat sie im Mund? Wer garantiert uns außerdem, dass Helen wirklich in diesem Hotel ist? Vielleichtsteht sie plötzlich vor der Tür? Vielleicht ist sie in Wahrheit bei dem Nachbarn, von dem du mir erzählt hast –
    Jonas lachte schrill.
    Sie könnte in der Nähe sein und nur darauf warten! Ich betrachte die Situation als Herausforderung, die ich nicht meistern kann. Tut mir leid. Sehr leid sogar. Ich hatte mich schon so auf dich gefreut.
    Jonas starrte auf die Standby-Anzeige des Fernsehers, die rot in der Dunkelheit leuchtete. Er räusperte sich, schwieg. Rieb sich die Stirn, zwirbelte sich die Brauen.
    Außerdem gibt es da diesen Mann, der durch die Welt zieht mit wirren Ideen im Kopf, so hast du ihn doch beschrieben, ja? Womöglich steht er vor deiner Tür? Mit seinen Ideen? Und einer Kamera? So viel riskiere ich nicht, es tut mir leid, ich bringe es einfach nicht fertig.
    Das ist doch absurd!
    Jonas! Wahrscheinlich ist es das, wahrscheinlich ist es paranoid! Aber ich will nicht, dass alles auffliegt! Ich habe keine Lust auf das Drama, das dann unweigerlich folgt!
    Ist das dein letztes Wort?
    Bitte quäl mich nicht, Jonas. Ich kann nicht. Ich würde so gern! Aber es geht eben nicht.
    Und wenn ich dir sage, mir ist es egal, ob da jemand vor der Tür steht? Ob alles auffliegt? Wenn ich es darauf ankommen lassen will? Es dem Zufall oder dem Schicksal überlasse? Was sagst du dann?
    Dann sage ich dir, dass ich das nicht will.
    Und warum willst du das nicht?
    Weil ich meine Entscheidungen gern selbst treffe.
    Gut. Und jetzt?
    Wir finden eine andere Möglichkeit. Bald. Ich weiß es.
    Schlaf gut.
    Du auch.
    Wieso legst du nicht auf?
    Du musst auflegen.
    Nein, du.
    Bei drei?
    Okay.
    Eins – zwei – drei.
    Du hast gemogelt.
    Du auch.

11
    Kaum konnte er in den Verkehr einfädeln, so dicht an dicht fuhren die Autos. Schon an der ersten Ampel stand er wegen der neuen U-Bahn-Baustelle einige Minuten. Lachend gab ein Spaßvogel im Radio durch, die Straßen seien etwas überlastet.
    Ich will nicht, dass Phil zu meiner Geburtstagsparty kommt, quengelte Tom.
    Während sich Jonas fragte, wovon das Kind sprach, begannen hinter ihm ein Dutzend Autos zu hupen. Er fluchte, doch die groben Worte machten ihn nur noch wütender. Als eine Grünphase zu Ende ging, ohne dass er einen Meter gefahren war, schlug er gegen das Lenkrad und brüllte auf. Chris begann zu weinen.
    Du hast mich erschreckt!
    Er umklammerte das Lenkrad und presste die Lippen aufeinander. Er rief sich in Erinnerung, wie schlecht solche Ausbrüche in Gegenwart der Kinder waren. Dass er sich jetzt zusammenreißen musste. Obwohl ihm nicht danach war.
    Er löste den Gurt und beugte sich nach hinten. Erst beruhigte er Chris, dann strich er Tom

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