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Das Leben der Wünsche

Das Leben der Wünsche

Titel: Das Leben der Wünsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Glavinic
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Schweiß, Mensch und langer Zeit. Im Grunde war es nicht allein der Geruch seines Vaters, es war der seiner Eltern, und noch mehr.
    Das Telefon läutete erneut. Jonas hatte das Gefühl, der Hörer sei heiß und bleiern.
    Ist es warm genug?
    Geh zurück! sagte Jonas.
    Funktioniert die Dusche?

19
    So kann ich nicht mehr weitermachen. Mich überwältigt das Gefühl, nicht viele genug zu sein. Ich meine, nicht so viele sein zu können, wie notwendig wäre. Ich bin Saschas Mutter, ich bin Apoks Frau, ich bin Tochter und Schwester und Freundin und Angestellte, ich bin deine Geliebte, aber ich bin auch ich, und das bin ich zu wenig! Vor allen Dingen bin ich Saschas Mutter und deine Geliebte, und alles andere, auch ich selbst, bin ich viel weniger, weil diese beiden Existenzen, wenn auch in deinem Fall nicht zeitlich, mich am meisten fordern und mir am meisten abverlangen. Nein! Verstehe mich nicht falsch: Es ist wunderschön, deine Geliebte zu sein! Aber wie soll ich es sein? Hier, in meinem Leben, in meiner Wohnung, ist so wenig Platz dafür! Ich sehe, wie dich das quält, ich weiß, wie es mich quält, und es vergeht kein Abend, an dem ich mich nicht aus meiner Wirklichkeit hinausfantasiere und mir denke, wie herrlich es wäre, wenn du neben mir liegen würdest und die Sachen im Schrank deine wären. Doch neben mir liegt schon jemand, und im Schrank ist kein Platz. Denn Jonas, dieser Mann ist nicht irgendjemand. Vielleicht liebe ich ihn nicht mehr in der Form wie früher, vielleicht sind Dinge zwischen uns getreten, vielleicht hat sich manches verändert, aber er ist mein Mann. Hör zu! Wir drei sind trotz allem eine Einheit, und ich will dieser Einheit eine Chance geben, ohne Störung von außen … nein und wieder nein, du bist kein Störenfried, du bistJonas, und … Was hier in meinem Leben ist, war schon vor Jonas da, und ich muss … ich muss verstehen, was es jetzt noch ist. Wenn Jonas immer darin ist, sehe ich nicht, was es geworden ist. Ach, was weiß denn ich. Ich bin gespannt, was passiert, wenn Apok und Sascha und ich das nächste Mal bei unseren Freunden im Waldhaus übernachten, dort ist es idyllisch, ich bin gern dort. Da werde ich möglicherweise etwas über mich erfahren. Denn die, die wir lieben, vermissen wir nicht so sehr, wenn es uns schlecht geht, sondern noch mehr in Momenten des Glücks. Ja, ich weiß, klingt wie ein Kalenderspruch. Stimmt aber trotzdem.
    Ja, ich hätte dich öfter treffen können. Aber ich hatte Angst. Jedesmal wenn wir uns sehen, verliere ich ein Stück meines Lebens. Ich verliere meine Sicherheit, ich verliere mich.
    Sascha. Das ist die Antwort. Ich trage Verantwortung. Ich habe kein Recht … Du willst es Trennung nennen? Na gut, nenne es so. Obwohl es das nicht ist! Es ist ein zeitweiliger Rückzug. Ich gebe die Verbindung nicht auf! Ein Teil von mir würde es wohl gern, aber ich kann nicht. Nein, ich würde es nicht gern! Im Grunde will ich das Gegenteil davon. Glaube ich. Aber das meine ich eben. Ich weiß selber nicht, was ich kann und was nicht, ich muss es herausfinden, und wenn am Ende steht, dass du derjenige bist, den ich für immer und ewig brauche, wenn ich mein Kind nehmen und zu dir will und wenn sich dann herausstellt, dass ich dich hiermit schon verloren habe, dann, tja, muss ich es hinneh

20
    Was stimmt mit dir nicht? fragte Nina, die die Beine zum Bräunen auf seinen Sessel gelegt hatte und mit den Zehen an seinem Oberschenkel spielte.
    Alles, sagte Jonas, mit mir stimmt alles.
    Genauso siehst du aus!
    Er lehnte sich in dem wackelign, knarzenden Gartensessel zurück, verschränkte die Hände hinter dem Kopf und ließ den Blick über die anderen Gäste wandern. Der Wind blies leere Zuckertüten von Tischen und Asche aus Aschenbechern, türmte Frisuren auf und ließ Zeitungsseiten davonfliegen. Es war heiß, und über den Bergen hingen schwarze Wolken.
    Glaubst du, wir bekommen in diesem Jahr noch viel zu tun? fragte Nina.
    Das wäre nicht schlecht, aber ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung.
    Sie steckte ihm den nackten Fuß zwischen die Rippen. Rede mit mir, los! Was ist denn passiert?
    Nichts. Gar nichts.
    Wird Zeit, dass wir wieder einmal ins Groggy gehen. Morgen?
    Schon dieser Name! sagte er. Da kriegst du mich nie wieder hin.
    Er klemmte einen Geldschein unter dem Aschenbecher fest. Zahl für mich mit, bitte.
    Nimm mich mit! rief sie.
    Ich weiß ja gar nicht, wohin ich fahre.
    Das macht nichts! Ich komme mit!
    Bis morgen, Nina.
     
    Er nahm den kürzesten

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