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Das Leben der Wünsche

Das Leben der Wünsche

Titel: Das Leben der Wünsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Glavinic
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heute Abend die Haare. Aber jetzt gibt es eine Überraschung!
    Ein Geschenk?
    Ein Ausflug!
    Eeeeh, machte Tom.
    Eeeeeeeeh, machte Chris. Ich will jetzt neue Haare haben!
     
    Als ihr Wagen schaukelnd in den Feldweg einbog, stand der Transporter bereits da. Vier Männer warteten, jeder für sich, manche rauchend, ohne sich miteinander zu unterhalten.
    Sind das Piraten?
    Wieso denn Piraten?
    Der hat ein Tuch!
    Der vollbärtige Mann, der auf sie zutrat, hatte haarige Pranken und einen weichen Händedruck. An der Stimme erkannte Jonas, dass er mit ihm telefoniert hatte. Der Mann kniete sich in die Wiese und nannte den Jungen seinen Namen: Karo. Erst schauten sie schüchtern hinter Jonas’ Beinen hervor, dann wollten sie ihm nicht die Hand geben, doch Karo, der mit der Narbe am Mundwinkel, dem Ohrring und dem Kopftuch, unter dem lange graue Strähnen hervorstanden, wirklich an einen Filmpiraten erinnerte, führte ihnen ein Zauberkunststück mit einer Münze vor, und danach gab es Kaugummi.
    Sie haben viel mit Kindern zu tun? fragte Jonas.
    Den meisten muss ich erklären, dass ich ihre Eltern auch wieder zurückbringe. Das Kaugummi ist übrigens Medizin, Prophylaxe. Mit dem Aufbau haben wir gewartet, so wie Sie gebeten hatten.
    Was? Tom und Chris hingen an seinem Hosenbein. Was macht ihr?
    Wo sind sie nicht im Weg und können trotzdem alles sehen?
    Einer der Gehilfen, ein Ausländer, führte die Jungen beiseite, wo Kinderspielzeug lag. Sie rissen sich los und tanzten um den Transporter herum. Jonas musste energisch werden, um sie an ihren Platz zurückzuholen. Sie traten Löcher ins Gras, harkten mit dem Sandspielzeugaufeinander ein, sprangen auf und ab und schrien schrill. Die Männer lachten, strichen ihnen über die Köpfe und machten nebenbei mit ihnen Faxen.
    Aus dem Transporter wurden der Korb und die zusammengefaltete Hülle geladen. Während Karo sich um den Brenner kümmerte, breiteten die Gehilfen die Hülle in ganzer Größe auf der Wiese aus.
    Das wird ein Ballon! rief Tom. Das habe ich schon einmal gesehen!
    Ein Ballon! schrie Chris.
    Ein Heißluftballon, sagte Jonas.
    Ein Heizluftballon! rief Tom. Fliegt der Mann damit weg?
    Karo hantierte an der Gasflasche und entzündete das Feuer. Die Gehilfen hielten die Ballonhülle auf, damit die heiße Luft hineinströmen konnte. Gemeinsam mit den Jungen johlte Jonas Aufmunterungsrufe, wobei Tom und Chris in immer hitzigeres Gebrüll verfielen. Aus dem Auto holte er ihnen Brauselimonade, die sie so lange beschäftigte, bis es mit dem Ballon augenscheinlich ernst wurde und schon mehrere Autofahrer in der Nähe angehalten hatten, um zuzusehen. Jonas schnallte seinen Rucksack um.
    Immer mächtiger blähte sich die Hülle auf der Wiese. Die Gehilfen riefen einander in fremder Sprache Kommandos zu. Gleichmäßig fauchte der Brenner. Karo gab Jonas ein Zeichen, sich bereitzuhalten. Jonas warf einem der Gehilfen seinen Autoschlüssel zu.
    Er wird bald davonfliegen! schrie Tom.
    Wird er nicht! Zuerst werden wir nämlich einsteigen! Oder – nein, dazu seid ihr zu klein!
    Sind wir nicht! Sind wir nicht!
    Karo, was meinst du? Dürfen wir mitfliegen? Wir alle?
    Trauen sich diese Kinder denn in meinen Ballon?
    Ja! Ja!
    Langsam richtete sich der Korb auf. Zwei Gehilfen hielten ihn fest. Auf einen Wink Karos hob Jonas die Jungen zügig hinein. Ihm stand vor Augen, was geschah, wenn ausgerechnet jetzt ein gewaltiger Windstoß kam und den Ballon samt Korb davontrug. Unwillkürlich krallte er sich an eines der Seile, die Korb und Hülle miteinander verbanden. Tom und Chris schienen ähnliche Visionen zu haben, ihren Mienen war Misstrauen abzulesen, das binnen Sekunden in Angst überging.
    Karo! rief Jonas und deutete mit dem Kinn in Richtung der Jungen.
    Der Ballonführer verstand. Jetzt!
    Jonas sprang in den Korb. Karo winkte einem der Männer, worauf dieser mit einem Rucksack, einigen Seilen und Karabinern sowie zwei Schemeln herbeirannte und alles in den Korb warf. Karo rief Kommandos. Der Korb knarrte, erhob sich einige Zentimeter vom Boden, wurde von den Gehilfen, an deren weißen Armen die Adern hervortraten, wieder hinuntergezogen.
    Papa! rief Chris.
    Platz da! rief Karo und stieg ein.
    Mit wenigen geschickten Handgriffen band er Tom und Chris mit Seilen und Karabinern an der Korbwand fest und schob ihnen die Schemel unter die Füße, damit sie bequem über den Rand des Korbs schauen konnten. Einige Sekunden darauf ließen die Gehilfen den Korb los, und Jonas fühlte, wie sich

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