Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition)

Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition)

Titel: Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter de Bruyn
Vom Netzwerk:
erst im Tod. Während dieser Betrachtung will es dem Erzähler erscheinen, als werfe aus der aufgehenden Sonne »Friedrichs Auge Morgenfeuer über die Erde« , und: »Beim Himmel! man schämt sich des Lebens, wenn es die größten Männer nicht mehr haben« , heißt es am Schluss.
    Da »die rechte Satire so wenig aus dem Herzen kommt als die rechte Empfindung aus dem Kopfe« , war der alte Jean Paul beim Rückblick auf die neun Jahre des Satireschreibens in seiner Jugend über die sich in ihnen ausdrückende Kälte entsetzt. Es schien ihm unverständlich, dass er damals nur seinen Verstand bemüht hatte, sein Gefühl von ihm aber unterdrückt worden war. Besonders unangenehm war ihm nachträglich sein Lästern über die Frauen. Das hatte der in dieser Hinsicht Unerfahrene sich nur angelesen. In Wahrheit hatte er damals alle Frauen, die ihm zu Gesicht gekommen waren, geliebt.

Die erotische Akademie
    Dass zu Richters verunglücktem Jugendroman »Abelard und Heloise« nicht ein eignes Liebeserlebnis, sondern das eines Freundes den Anstoß gegeben hatte, ist bezeichnend für das Leben dieses jungen Mannes, das mit hartnäckiger Strenge dem Lesen, Lernen und Schreiben gewidmet war. Sieht man ab von seiner Mutter, die dem Junggesellen dann auch in seinem Eheroman als Vorbild für Frau Siebenkäs dienen musste, war kein weibliches Wesen in seinem Umkreis zu finden, denn die schwatzhaften, gefallsüchtigen Weiber, über die in seinen Satiren gelästert wurde, waren ihm nur aus der Literatur bekannt. Hätte die Öffentlichkeit von dem jungen Autor Notiz genommen, wäre er ihr als kalt und gefühllos erschienen, was er aber nur als Satiriker war. Seine Briefe an Schulfreunde nämlich waren reich an Gefühlen, wie später auch seine Romane, in denen er wieder und wieder auch von gefühlvollen und sogar tränenreichen Männerfreundschaften erzählt. Die drei Freunde aus Hof, die die Jahre der Arbeit an den Satiren begleiteten, wurden, jeder in seiner Weise, für den Schreibbesessenen bedeutsam, sowohl der zarte, schwärmerische Oerthel, der Richter verehrte und ihm half, wo und wann er nur konnte, als auch der nüchterne Christian Otto, der lebenslang seine Arbeiten kritisch begleitete, und der genialische Hermann, an dem er mit den intensivsten Gefühlen hing.

Abb.10: Jean Paul 1798.
Gemälde von Heinrich Pfenniger
    Die Sprache der Liebe, die von Richter und seinen Zeitgenossen auch zum Ausdruck von Freundschaftsgefühlen gebraucht wurde, war sicher nicht immer mit Homoerotik verbunden, schloss diese aber, vielleicht nur unbewusst vorhanden, nicht aus. In Richters Briefen und später in den Romanen reden Freunde oft miteinander wie Liebespaare, und auch wenn sie sich küssen und umarmen, muss Erotisches dabei nicht gemeint sein. Zu den Freundschaften in Jean Pauls Romanen gehört neben der geistigen und gefühlsmäßigen Übereinstimmung auch die körperliche Zärtlichkeit. »Stumm gingen die Wirbel der Liebe um beide und zogen sie näher – sie öffneten die Arme füreinander und sanken ohne Laut zusammen, zwischen den verbrüderten Seelen lagen bloß zwei sterbende Körper, hoch vom Strome der Liebe und Wonne überdeckt« , heißt es zum Beispiel im »Hesperus«, und die Unbedenklichkeit, mit der hier in einer Zeit von körperlicher Zärtlichkeit zwischen Freunden gesprochen wird, in der die gleichgeschlechtliche Liebe nicht nur verpönt war, sondern auch als widerlich empfunden wurde, schließt aus, dass sie hier gemeint war. Gemeint war vielmehr eine Stärke des Gefühls, die man im Gegensatz zur aristokratischen Kälte und Frivolität als bürgerliche Tugend schätzte und in einer Weise kultivierte, die uns heute übertrieben erscheint.
    Dass Richters Freundschaft zu Johann Bernhard Hermann aber auch sinnliche Aspekte hatte, war ihm durchaus bewusst. Er möchte sich einmal, schrieb er an Oerthel, mit Hermann »verloben« und spielte dabei auf die »Gewohnheit der Morlakken an, bei denen ein Paar Freunde sich ordentlich kopulieren und feierlich einsegnen lässet« . Er erinnerte auch an die Griechen, bei denen »die Freundschaft der Männer oft im eigentlichen Sinne eine Ehe« war, und fuhr dann so fort: »An etwas Körperliches müssen alle unsere Empfindungen sich halten, und das griechische Feuer der Freundschaft würde gewiss bei uns noch häufiger sein, wenn es sich von der körperlichen Schönheit mit nährte. … Dass sich dieses Feuer zuletzt mit einem Sinnenkützel und -triller endigt, kann nur dem anstößig

Weitere Kostenlose Bücher