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Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition)

Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition)

Titel: Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter de Bruyn
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sein, der das Geschlechtsvergnügen an sich für etwas Niedriges hält« .
    In dem Briefwechsel mit Hermann war Richter der Werbende. Sätze wie: »Ich habe Dir noch 100 Sachen zu schreiben, die 101te ist, dass ich niemand so sehr liebe als Dich und mich« , kommen bei Hermann nicht vor. Während Richter seine Gefühle benennt, versteckt Hermann die seinen und überspielt die Erschütterungen seines leicht verwundbaren Gemüts mit Derbheit und Zynismus, die Richter seine »Zotenmanie« nennt. Als der bitterarme Medizinstudent von schon 27 Jahren sich in Erlangen für einen kostbaren Gulden die Teilnahme an einem Kursus für Geburtshilfe erkauft hatte, schrieb er 1788 an Richter: »Du weißt¸ dass ich noch so rein und unschuldig als ein Kind von 2 Monaten bin in Ansehung des weiblichen Geschlechts … Ich bin noch immer der unwissende Mensch, für den du dich selbst auszugeben pflegst und der du es vielleicht auch wirklich bist. … Kurz merke dir den Tag, da ich das erste Mal das Vergnügen hatte, es war Dienstag, den 6. Mai, abends zwischen 4 und 5 Uhr, als ich, sagte ich, als ich zum erstenmal meinen rechten Zeigefinger in eine lebendige Votze steckte. – Ja, du hättest mich sehen sollen, wie mir hierbei zu Mute war, wie ich es gern für Scham und aus einer gewissen Art von Ekel noch länger aufgeschoben hätte, aber ich dürfte mich es vor den Kommilitonen nicht einmal merken lassen, dass ich ganz unwissend hierinnen wäre, und was halfs, mit feuerrotem Gesicht wagte ichs, und es gelang mir besser als ich gewünscht haben würde, wenn mir so viel Zeit dazu übrig gelassen worden wäre. Wie wird mirs gehen, wenn ich einmal bei meiner Frau mit dem eilften Finger touchieren soll.«
    Aber dazu kam es nie. Ernsthaft an Heirat zu denken, war dem stets verschuldeten Studenten nicht möglich. Sein Elend und die Scham darüber verboten ihm, sich Mädchen auch nur zu nähern. Seine Sexualnot, die Träume von »lauter entblößten Busen« erzeugt und zu »Onans Sünde« verführt, war Folge der materiellen, und da diese sich nie minderte, verging jene nie. Während der ganz auf sein hohes Ziel orientierte Freund Richter aus dieser Not eine Tugend zu machen verstand und sich so über sein Schicksal erheben konnte, kam Hermann in ihm um. Liest man die klagenden und anklagenden, schamerfüllten und verzweifelten Briefe dieses um Unabhängigkeit ringenden jungen Mannes, kann einem sein früher Tod als ein freiwillig gewählter erscheinen, und tatsächlich kommt dieser Gedanke in einem Brief auch vor. Wenn er bedenke, schrieb er ein Jahr vor seinem Tode, dass, wie »bei vielen Jünglingen die Onanie« , bei ihm die »Hypochondrie und widrige Schicksale« den Körper zerstört hätten, »wäre es kein Wunder, ich beginge die Raserei und käme den letzten Folgen des blind scheinenden Schicksals durch einen vorsätzlich freiwilligen Streich zuvor«.
    Begonnen hatte sein Leben zwei Jahre vor dem Richters in Hof. Als einziges von acht Kindern eines armen Tuchmachers hatte er die lebensgefährlichen Kindheitsjahre überstanden, und obwohl er zu Hause ständig mitarbeiten musste, kam er in der Schule gut voran. Besonders liebte er die Naturwissenschaften und wollte Arzt werden, doch hatte er für das kostspielige Medizinstudium kein Geld. Nachdem er bei einer Apothekerlehre gescheitert war, folgte er den Freunden Richter und Oerthel nach Leipzig, angeblich um Theologie zu studieren, doch gab er diese zugunsten der Medizin nach zwei Semestern auf. Selten konnte er von Freitischen und privaten Stipendien leben, musste also dazuverdienen, brachte aber die Kosten für ein vollständiges Medizinstudium nie auf. Chirurgie konnte er nicht hören, weil ihn das 10 Reichstaler jährlich gekostet hätte. Zwei Gulden waren für das Zuschauen bei einer Geburt zu zahlen, sieben für die praktische Geburtshilfe, und da für die abschließende Promotion noch viel mehr verlangt wurde, war die Hoffnung, wirklich einmal als Arzt arbeiten zu können, für ihn nicht sehr groß.
    Trotz der Krankheiten, die ihn immer wieder plagten, schrieb er zwei Bücher, die »Über die Mehrzahl der Elemente« und »Über Licht, Feuer und Wärme« hießen und in Berlin tatsächlich einen Verleger fanden, doch war das Honorar, das sie einbrachten, nur gering. In der Annahme, anderswo billiger leben zu können, wechselte er mehrmals die Universitäten und unternahm lange Fußwanderungen, von denen der Freund Richter in Briefen kulturhistorisch interessante Berichte

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