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Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition)

Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition)

Titel: Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter de Bruyn
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erhielt. Von den schönen Töchtern der französischen Einwohner Potsdams war darin genauso zu lesen, wie über die ekelerregende Wurstherstellung in einem Dorfgasthaus, die Hinrichtung eines Diebes, den Auftritt eines angeblichen Goldmachers oder über die damals in Jena aufkommende studentische Sitte, Beifall durch Pochen auszudrücken und mit den Füßen zu scharren, wenn etwas missfällt. Um überleben zu können, musste Hermann in Göttingen einem französischen Grafen als Lateinlehrer dienen, bei dem er auch wohnen und essen konnte, aber als eine Art Gesellschafter immer gebunden war. Er erwog, sich als Matrose anheuern, sich als Soldat anwerben zu lassen oder zum »Naturmenschen« zu werden, der zwar gezwungen ist, »Eicheln und Wurzeln zu fressen« , aber doch wenigstens frei sein kann. Er ließ sich von den witzigen und kritischen Vorlesungen Lichtenbergs begeistern und hoffte auf eine philosophische Neuorientierung, die sich »auf die Grundkenntnisse von der Natur und ihrer Gesetze« stützen sollte, doch diese Gedanken weiterzuführen, verwehrte ihm sein früher Tod. »Johann Bernhard Hermann, Studiosus Medicinae aus Hof im Bayreuthisch en«, so steht es im Sterberegister der Göttinger Johanniskirche, »starb am 3. Februar 1790 an Gicht und Ausfluss, begraben am 5. Februar 1790, Alter 29 Jahre.«
    Im Jahr zuvor hatte er an Richter geschrieben: »Ich und du sind ein Paar Genies, dies beweist unser gleiches elendes Schicksal« , damit aber nicht recht behalten. Denn während Richter alles, was er sich vorgenommen hatte, erreichte, verstarb der Freund namenlos.
    Dass die homoerotischen Elemente dieser Freundschaften vorwiegend eine Ersatzfunktion hatten, wird in Jean Pauls Erinnerungen deutlich, in denen er von seinen auf Weibliches gerichteten Sehnsüchten in dieser asketisch verbrachten Zeit erzählt. Als Student damals, so kann man da lesen, hätte er alle Frauen seines Umkreises geliebt und geheiratet, wenn er ihnen nicht gleichgültig gewesen wäre, weil er nicht nur arm war und hungerte, sondern auch ohne Aussicht auf eine auskömmliche Stellung war. Auch nach dem Studium bewegte er sich in Kreisen, für die er, der Außenseiter ohne Willen zur Anpassung, als ernsthafter Bewerber nicht in Frage kam. Sein literarischer Ehrgeiz hatte ihm eine Enthaltsamkeit aufgenötigt, die zur Folge hatte, dass ihm jede Frau schön und liebenswert schien. Dadurch wurden dann die Frauengestalten in seinen Erzählungen und Romanen zu Wesen von fast überirdischer Schönheit und Reinheit, und er hatte Grund, seine Zwangsenthaltsamkeit zu verlängern, damit die Sehnsucht nach diesen idealen Geschöpfen nicht an der Realität zerbrach.
    Im Fragment seiner Autobiographie wird von der Liebe des Schuljungen zu einem Mädchen berichtet, das ihn in Schwarzenbach allein dadurch schon glücklich machte, dass er es täglich vom Fenster des Pfarrhauses aus beobachten konnte, wenn es in weißem Schürzchen und Häubchen vorüberging. »Ferne« , sagt er dazu, »schadet der rechten Liebe weniger als Nähe. Wäre mir auf der Venus eine Venus zu Gesicht gekommen: ich hätte das himmlische Wesen mit seinen in solcher Ferne so sehr bezaubernden Reizen warm geliebt und es ohne Umstände zu meinem Morgen- und Abendstern erwählt zum Verehren.«
    Wie seine späteren Briefwechsel mit Frauen zeigen, waren ihm Fernlieben, die er auch »telegraphische« nannte, immer sehr lieb. Das begann schon in der Kindheit in Joditz, wo der kleine Fritz sich in eine blatternarbige Augustina verliebte, die abends die Kühe am Pfarrhaus vorbeitrieb, sonntags in der Kirche weit von ihm entfernt auf der Weiberseite ihren Platz hatte und wie die Katharina, die er in Schwarzenbach verehrte, die ganze Kindheit über in »dieser Brennweite der Liebe« blieb. Alle Mädchen, die mit ihm zusammen die heilige Handlung des ersten Abendmahls vollzogen, wurden von ihm in sein »weites reines Lieben« einbezogen, mit der Magd seiner Eltern aber, die er nicht liebte, war das anders: als er die küsste, »brauseten nämlich Seele und Körper unbewusst und schuldlos miteinander auf«.
    Da die »Selberlebensbeschreibung« mit dem Abschied von Schwarzenbach abbricht, ist über seine Beziehung zu Frauen in seiner späteren Jugend nur wenig bekannt. Seine Arbeit, so ist anzunehmen, zwang ihn dazu, Frauen zu meiden, denn im Gegensatz zu den Freunden, die sein Schreiben kritisch oder verehrend begleiteten, hatten weibliche Wesen damit nichts zu tun. Eine Ausnahme von dieser Regel

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