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Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition)

Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition)

Titel: Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter de Bruyn
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Anzunehmen ist aber, dass die Reaktion Richters etwa die der meisten deutschen Literaten und Philosophen war. Sie alle waren wie Klopstock, Wieland, Kant und Fichte anfangs von der Revolution begeistert, sahen in ihr den Auftakt zu einer gerechteren staatlichen Ordnung, und einer von ihnen, der Schriftsteller und Weltreisende Georg Forster, wurde sogar politisch tätig und wagte in Mainz das zum Scheitern verurteilte Experiment einer deutschen Republik. Die Gegner der Revolution, wie Nicolai und Goethe, die die bewährte alte Ordnung nicht gestört wissen wollten, standen anfangs ziemlich allein. Als aber im Verlauf der revolutionären Ereignisse die gemäßigten Girondisten entmachtet wurden, der Terror der Jakobiner wütete und der König enthauptet wurde, wandten sich die meisten der Sympathisanten mit Entsetzen und Abscheu von den blutigen Ereignissen ab. Im Freiheitsrausch der ersten Phase der Revolution hatten sie diese als praktische Umsetzung der Forderungen der Aufklärungsphilosophie verstanden, von ihr also den Beginn eines Zeitalters der Humanität erwartet, nicht aber ein Blutbad, dem auch mancher der idealistischen Aufrührer selbst zum Opfer fiel. Das anfangs Bejubelte wurde in Deutschland nun zum abschreckenden Beispiel, so dass der Gedanke an behutsame Veränderungen durch Bildungsanstrengungen und Reformen an Boden gewann.
    Dass Richter zu den Autoren gehörte, die auf Veränderung der Verhältnisse hofften, ließen schon seine Satiren erkennen, die doch von der Kritik am Bestehenden lebten, und der aufmerksame Leser konnte in ihrem Wust von Metaphern und Vergleichen vereinzelt auch Revolutionäres aufblitzen sehen. In seiner satirischen Betrachtung »Meine Überzeugung, dass ich tot bin«, die in der zweiten Hälfte des Revolutionsjahres geschrieben wurde, gibt es eine Bemerkung über die »Rückkehr« der Franzosen »aus der babylonischen Gefangenschaft« , die auf Sympathien für die Revolutionäre schließen lässt. Da er jedoch in der gleichen Passage neben den Pariser Ereignissen auch das Auftreten Friedrichs II. von Preußen zu den Großtaten des 18. Jahrhunderts rechnet, wird daran deutlich, dass es ihm auf die Durchsetzung der Aufklärung ankam, nicht unbedingt auf Revolution. Ein politischer Autor im Wortsinne ist Jean Paul nie gewesen, wohl aber ein Mann der Aufklärung, dem es unbeirrt von allen Änderungen des Zeitgeistes um Humanität und Freiheit ging.
    Im Briefwechsel Richters mit Christan Otto ist erst im März 1793 unter kritischen Anmerkungen zu einer historischen Arbeit des Freundes eine Erwähnung der Pariser Ereignisse zu finden, die er als »Tertianfieber der Weltrevolution« bezeichnet, aber auf Frankreich begrenzt sieht, da das übrige Europa kein »gepresstes, abgefressenes Gallien« sei. Bei »uns« müsse »noch weit mehr Licht unter unsere Hirnschalen und weit mehr Tortur-Schwefeltropfen an unser Herz geworfen werden, ehe sich die liegende Welt ermannt«.
    Trotzdem findet er es »in diesen Frosttagen der Kleinigkeiten, wo unsere ganze Freiheitsfahne in einem Federkiel besteht« erwärmend, dass man die Hoffnung auf »einen Mai des Menschengeschlechts« haben kann. Keine Predigt, sondern nur »das Schütteln« , so heißt es weiter, bringe die Fürsten »von ihren Throngipfeln herab«.
    In diesen Jahren entstanden seine ersten beiden Romane, die man zwar nicht, wie schon geschehen, Romane der Revolution nennen sollte, weil sie viel mehr als von dieser von Bildung, Liebe und Freundschaft handeln, in denen aber der Gedanke an Revolution eine Rolle spielt. Da wird im ersten Roman, der Fragment gebliebenen »Unsichtbaren Loge«, von kommenden Zeiten geträumt, in denen man die krassen sozialen Unterschiede beseitigen werde, und im zweiten, dem »Hesperus«, wird von Flamin, einem der idealen Helden, eine Rede entworfen, die wie eine Vorwegnahme Georg Büchners klingt. »Da will ich Flammen über das Volk werfen, die den Thron einäschern sollen. … Ihr könntet ein Leben voll Freiheit erbeuten oder einen Tod voll Ruhm. Sind denn die tausend aufgerissenen Augen um mich alle starblind, die Arme alle gelähmt, dass keiner den langen Blutegel sehen und wegschleudern will, der über euch alle hinkriecht und dem der Schwanz abgeschnitten ist, damit wieder der Hofstaat und die Kollegien daran saugen? Seht, ich war sonst mit dabei und sah, wie man euch schindet – und die Herren vom Hofe haben eure Häute an. Seht einmal in die Stadt: Gehören die Paläste euch oder die

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