Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition)
meiner Vorrede«
Ähnliches gilt auch für die beiden folgenden Schulmeistergeschichten, das »Leben des Quintus Fixlein« von 1796 und »Der Jubelsenior«, der 1797 erschien. Das »Fixlein« wird mit einem »Billett an meine Freunde anstatt der Vorrede« eingeleitet, das dem Leser nicht nur Ratschläge zum Verständnis des folgenden Werkes, sondern auch zur eignen Lebensgestaltung gibt. Drei Wege, um »glücklicher (nicht glücklich) zu werden« , meint er zu kennen. Der erste ist der der Genies und Helden, »die so weit über das Gewölke des Lebens hinaus dringen« , dass sie »die ganze äußere Welt mit ihren Wolfsgruben, Beinhäusern und Gewitterableitern« nur »wie ein eingeschrumpftes Kindergärtchen liegen« sehen, während der zweite Weg der der kleinen Leute ist, die in einer Furche des Gartens heimisch werden und die kleinen Freuden, wie die »Wärme ihrer Stuben« oder die »heiligen Feste« , als große anzusehen lernen und an die folgende Forderung gerichtet ist: »Die nötigste Predigt, die man unserm Jahrhundert halten kann, ist die, zu Hause zu bleiben« . Der dritte Weg aber ist der schwerste, der nämlich, von einem zum anderen zu wechseln, wie der Sieger, der das Schlachtfeld zum »Flachs- und Rübenfeld« umgestaltet, oder auch der Autor selber, der über den Höhenflügen der Romane doch die hungernden Schulmeister seiner Heimat nicht vergessen konnte und der auch »mitten unter der Schöpfung dieses Billetts doch imstande war, daran zu denken, dass, wenn es fertig ist, die gebackenen Rosen und Holundertrauben auch fertig werden, die man für den Verfasser dieses in Butter siedet«.
Mumien
Karl Philipp Moritz, der sich besonders durch seinen autobiographischen Roman »Anton Reiser« einen Ehrenplatz in der deutschen Literatur des 18. Jahrhunderts gesichert hat, war unter den denkbar schlechtesten, nicht nur armen, sondern auch zerrütteten Familienverhältnissen aufgewachsen, hatte es über die Stationen: Hutmacherlehrling, Schauspieler, Theologiestudent, Hofmeister, Lehrer, Redakteur und Schriftsteller bis zur Aufnahme in die Akademie der Wissenschaften und zu einer Professur an der Berliner Kunstakademie gebracht. Trotz ständiger Krankheiten hatte er viel geschrieben: zwei Romane, ein Schauspiel, Gedichte, Freimauererreden, Sprachlehrbücher, Verslehren, Reisebeschreibungen, Briefsteller, Mythologisches, Ästhetisches, Psychologisches, Pädagogisches, bis sein Körper, der sich von den Entbehrungen der Jugend nie ganz hatte erholen können, versagte und er 1793 im 37. Lebensjahr starb.
Abb.14: Karl Philipp Moritz. Gemälde
von Christian Friedrich Rehberg
Im Juni 1792, also ein Jahr vor seinem Tode, erreichte ihn das Paket eines Unbekannten, das, in schwarzes Wachstuch gewickelt, ein handgeschriebenes Manuskript enthielt. Der beiliegende Brief mutete dem überlasteten Mann nicht nur zu, die Hunderte von Seiten zu lesen und zu beurteilen, sondern auch einen Verleger zu finden, der das Werk druckt. Denn der Absender, ein ihm unbekannter Herr Richter aus dem ihm ebenfalls unbekannten Schwarzenbach im Vogtland, misstraue, wie er schrieb, den »geistigen Sklavenhändlern« der Buchhändlerbörse und setze alle Hoffnung auf ihn, den Autor des »Anton Reiser«, der ihm wesensverwandt sei.
Und der Professor las das Handgeschriebene tatsächlich und fand es erstaunlich gut. »Das begreife ich nicht, der ist noch über Goethe, das ist ganz was Neues« , soll er seinem Bruder gegenüber geäußert haben, und nach Schwarzenbach schrieb er im Juni zwei kurze Briefe, mit denen der Aufstieg Jean Pauls in die Elite der deutschen Literatur begann. Das Werk habe ihn entzückt, schrieb er dem glücklichen Autor. »Und wenn Sie am Ende der Welt wären« , für das der Berliner Schwarzenbach offensichtlich hielt, »und müsst’ ich hundert Stürme aushalten, um zu Ihnen zu kommen, so flieg’ ich in Ihre Arme! – Wo wohnen Sie? Wie heißen Sie? Wer sind Sie? – Ihr Werk ist ein Juwel, es haftet mir, bis sein Urheber sich mir näher offenbart.« Und im Juli setzte er als Antwort auf einen Brief Jean Pauls noch hinzu: »Ihr Buch, mein Theuerster! wird ganz nach Ihrem Wunsche gedruckt. – Es ist unbezahlbar – wir bitten Sie aber, als ein kleines Zeichen unserer Achtung, hundert Dukaten von uns anzunehmen, wovon dreißig hiebei [!] erfolgen, die übrigen siebenzig aber sogleich nach Beendigung des Druckes entrichtet werden sollen. Der Verleger ist der hiesige Buchhändler Herr Matzdorf, mit dessen
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