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Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition)

Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition)

Titel: Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter de Bruyn
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schätzten ihn auch Keller, Stifter und Raabe, und sie alle, wie auch Stefan George, der ihn um 1900 wieder entdeckte, liebten nicht das Politische in ihm, sondern das Poetische – das schon der Freiherr von Knigge in seiner Rezension der »Unsichtbaren Loge« erkannt, aber getadelt hatte: »Oft überschreitet die Sprache wirklich die Gränzen der Prosa und artet in die höchste Poesie aus« .

Abb.18: Titelblatt zur 2. Auflage des »Hesperus«
    Die Fachkritik hatte am Erfolg des »Hesperus« nur geringen Anteil. Die Rezensionen zur ersten Auflage ließen nicht ahnen, dass sich mit diesem Roman ein bisher unbekannter Autor an die Spitze der deutschen Literatur geschrieben hatte. Der Aufklärer Knigge bemängelte in der »Neuen Deutschen Bibliothek« das Geschwätzige und Gefühlsüberladene, und in der Jenaer »Allgemeinen Literatur Zeitung« entdeckte Friedrich Jacobs zwar einen »Reichtum von erhabenen und rührenden Ideen, von großen und neuen Bildern, von treffenden, feinen und tiefen Bemerkungen« , bemängelte aber, dass die »Veranlassungen zu hohen Gefühlen und Rührungen allzu geflissentlich aufgesucht« worden sind. »Es wird doch fast zu viel in diesem Buche geweint« .
    Ermutigender als solche Rezensionen waren die Leserbriefe, von denen einer Jean Paul besonders erfreute, weil er aus der heiligen Stadt der deutschen Literatur, also aus Weimar kam. Die Frau, die ihm darin Bewunderung zollte, war die zwei Jahre ältere Charlotte von Kalb. Die unglücklich verheiratete Mutter dreier Kinder, die schon für Schiller und Hölderlin viel bedeutet hatte, gab ihm in ihrem Brief vom 29. Februar 1796 nicht nur zu erkennen, dass der »Reiz und Reichtum« seiner Bücher sie selbst »innigst beglückt« hatten, sondern ließ ihn auch wissen, dass Wieland und Herder ihn schätzten und ganz Weimar seine Bücher mit Freuden las. Der Briefwechsel, der diesem ersten Schreiben folgte, wurde Anlass für ihn, eine Reise nach Weimar zu wagen und damit den ersten Schritt aus der abgelegenen Provinz in die große Welt zu vollziehen. »Wenn ich die hohe Dreieinigkeit der drei größern Weisen, als je aus dem Orient zogen« , schrieb er an seine Verehrerin in Weimar und dachte dabei an Wieland, Herder und Goethe, »hören und sehen werde: so werde ich kaum beides mehr können, sondern vor Liebe und Rührung verstummen«.
    Aber als es im Sommer dann so weit war, sah und hörte er sehr genau.

Die heilige Stadt
    Des schlechten Wetters wegen hatte er die Reise noch aufgeschoben, bis Neumond Änderung versprach. Am 9. Juni 1796 ging er dann in aller Herrgottsfrühe los, wie die Jünglinge in seinen Romanen es wieder und wieder tun. Das Wetter war so heiter wie sein Gemüt, und der Freund Christan Otto begleitete ihn noch aus der Stadt hinaus. Am Abend war er in Schleiz, wo der Wirt den armen Wanderer keiner Stube für würdig hielt als der größten, nämlich der Gaststube, was aber den Vorteil hatte, dass die Schlafstelle mit 18 Groschen sehr billig war. Da er über Neustadt an der Orla und Kahla am nächsten Tag schon Jena erreichte, hatte er in zwei Tagen etwa 80 Kilometer zurückgelegt. Um 16 Uhr schrieb er an Otto einen kurzen Brief, in dem er die Schönheiten des Orlagrundes rühmte, sich über die Abscheulichkeit des Jenaer Bieres beklagte und der Hoffnung Ausdruck gab, schon um 19 Uhr in Weimar zu sein. Denn weil er befürchtete, der Wirt des »Erbprinz« könnte auf den armen Fußwanderer wie der in Schleiz reagieren, hatte er sich eine Extrapost bestellt. »Die Postpferde … kommen sogleich und ziehen mein froh-banges Herz dem längst ersehnten Eden entgegen« .
    Und die Kutsche bewirkte tatsächlich, dass der Erbprinzwirt ihn eines guten Zimmers für würdig hielt. »Noch nicht aus der Reisekruste heraus« , schrieb Jean Paul schon an Frau von Kalb, nannte den Besuch bei ihr seine »Himmelfahrt« und bat sie um eine einsame Stunde, weil gerade die erste Begegnung Zuschauer nicht vertrage. »Endlich, gnädige Frau, hab’ ich die Himmelsthore aufgedrückt und stehe mitten in Weimar«.
    Aber die Meldung seiner Ankunft war unnötig, weil die Torwache, die nur mit etwa 20 Fremden pro Tag zu rechnen hatte, von der Herzogin Anna Amalia den Auftrag erhalten hatte, gleich Bescheid zu geben, wenn der »Hesperus«-Dichter die Residenzstadt betritt.
    Weimar war zu dieser Zeit mit seinen 6500 Einwohnern eine Kleinstadt, die in der Größe aber dem Kleinstaat entsprach. Herzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach hieß das

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