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Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition)

Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition)

Titel: Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter de Bruyn
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Revolutionsabsichten begnügen, die ihm teilweise aber unter den Schilderungen von Liebes- und Freundschaftsgefühlen verlorengehen. Aus den republikanischen Brüdern wurden bei ihm illegitime Söhne des Fürsten, die im republikanischen Klub die radikalsten Mitglieder sind. Die Gefühlswelten der Helden werden so schwelgerisch ausgebreitet, dass die reichlich verworrene Haupthandlung, die mit Kindesentführung und -vertauschung stark an Trivialromane erinnert, zeitweilig nur nebenherläuft und auf den letzten Seiten, als sei damit nur eine lästige Pflicht zu erfüllen, hastig zu einem Abschluss kommt. Die Revolution zeigt sich mehr als Wetterleuchten denn als Gewitter, und die spärlichen revolutionären Taten, die nur am Rande behandelt werden, münden realistischerweise in Reformen der Monarchie. Viktor, der bürgerliche Hauptheld, kann am Ende seine Klothilde heiraten, ohne zum politischen Geschehen viel beigetragen zu haben, und eine Gelegenheit, die Volksrede, die zum Krieg gegen die Paläste aufrufen sollte, zu halten, ergibt sich nie.
    Die Qualitäten des Romans sind also nicht bei den Haupt- und Staatsaktionen, sondern bei der Gestaltung des Seelenlebens zu finden. Besonders Viktor, der am meisten seinem Urheber ähnelt, hat alle nur denkbaren menschlichen Gefühle zu durchlaufen, von dem Entzücken an der Natur über die Freuden und Leiden von Liebe und Freundschaft bis zur Todesangst. An dem dünnen Faden der Kolportagehandlung und der kaum merkbaren Entwicklungs- und Bildungsgeschichte reihen sich die Höhepunkte der Gefühlsschwelgerei aneinander und machten für das Publikum von damals den Hauptreiz des Buches aus. Viktors Geschichte ist die seines Autors, nämlich die eines mit Geist, Witz und viel Gefühl ausgestatteten jungen Mannes, der sich in einem deutschen Kleinstaat, der hier Flachsenfingen genannt wird, bewähren muss. Die Schauplätze sind dementsprechend das Pfarrhaus, das Dorf, die Kleinstadt und die oberfränkische Landschaft, darüber hinaus aber auch der Fürstenhof eines Kleinstaates, den der Autor noch nicht hatte erleben können. Aber das änderte sich bald.
    Erzählt wird der Roman von einem Jean Paul genannten fiktiven Erzähler, der das nächste Kapitel erst schreiben kann, wenn ein Hund es ihm liefert, und der deshalb dem realen Erzähler ähnelt, der nie so recht wusste, wie die Handlung weiterzugehen hatte und sie manchmal auch unter den naturschwärmerischen oder liebesseligen Passagen aus dem Auge verlor. Aber da diese schönen und tugendhaften Seelengemälde besonders gefielen und der Autor in ihnen dem Leser immer nahe bleibt, ihn anspricht, ihn tröstet oder auch bemitleidet, konnte der »Hesperus« zum Modebuch des Jahres 1795 werden, obwohl zur selben Zeit etwa auch Goethes »Wilhelm Meister« erschien. Vor allem die Frauen der gebildeten Kreise konnten in den gefühlsstarken, sittsamen Romangestalten einen Traum von sich selbst entdecken und nahmen, was tatsächlich leicht war, die schwachen politischen Elemente des Romans mit in Kauf.
    Mit dem »Hesperus«, dessen großer Erfolg sich bei anderen Werken Jean Pauls nicht wiederholen sollte, wurde sein Ruhm im deutschen Sprachraum begründet, mit einem Schlage zählte er zu den Größen der Literatur. Gleim schickte ihm anonym 60 Taler, ließ ihn auf eigne Kosten von Heinrich Pfenniger malen und räumte dem so entstandenen Porträt einen Ehrenplatz in seinem Halberstädter Ruhmestempel ein. Lavater bat ihn, nach Zürich zu kommen, wo auch Pestalozzi ihn schon erwarte. Herder und Wieland waren beeindruckt, und Goethe machte Schiller brieflich darauf aufmerksam, dass »gegenwärtig die Hundsposttage« es seien, »worauf unser feines Publikum seinen Überfluss an Beifall ergießt« . Die Fürstin von Anhalt-Zerbst sandte ihm eine seidene Börse mit der Aufschrift: »Dem großen Genius des Hesperus!«. Franz Koch, ein im Roman erwähnter Mundharmonikaspieler, dankte für die Reklame, Modeschöpfer entwarfen Jean-Paul-Überröcke, und ein Blähungspulver, dessen Rezept der Roman verrät, wurde in Apotheken als Hesperus-Pulver verkauft. Daneben gab es eine Fülle von Leserbriefen, die alle verehrungsvoll waren und vorwiegend von Damen kamen, denen der Roman den Eindruck vermittelt hatte, der Autor schließe sich dem Leser ganz auf.
    Drei Auflagen des Romans erschienen zu Jean Pauls Lebzeiten, und seine Wirkung hielt auch nach seinem Tode noch einige Jahre an. Nachdem Fouqué, Eichendorff und Hauff ihn schon bewundert hatten,

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