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Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition)

Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition)

Titel: Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter de Bruyn
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zerstückelte Staatsgebilde, das etwa 100000 Einwohner hatte, 63 Prozent davon Klein- und Mittelbauern, deren Armut vor allem auf die Frondienste, die sie dem Adel zu leisten hatten, zurückzuführen war. Da der Adel keine Steuern zu zahlen hatte und das städtische Bürgertum nur 23 Prozent ausmachte, war das Steueraufkommen nicht groß. Am Hof des Herzogs Karl August und dem seiner Mutter Anna Amalia ging es deshalb nicht sonderlich luxuriös, eher bürgerlich zu. Aus Sparsamkeitsgründen hatte der Herzog auch seine 800 Mann starke Armee auf etwa 200 vermindern müssen, aber da er weiterhin Parks anlegte und Schlösser baute, Mätressen hielt und edle Pferde kaufte, verringerte sich die Schuldenlast kaum. In dieser Hinsicht unterschied sich Karl August nicht von anderen Fürsten, sein Verdienst aber war, dass er Geistesgrößen ins Land geholt hatte, besonders Goethe, der als Minister zu bessern versucht hatte, aber gescheitert war.
    Die Stadt, eigentlich nur das Anhängsel des Hofes, hatte noch Häuser, die mit Stroh gedeckt waren, und enge Gassen, in denen es nach Abwässern stank. Die Straßen, durch die noch Viehherden getrieben wurden, waren nachts ohne Beleuchtung. Die Fleischer hatten ihre Stände unter den Bogengängen des Rathauses, und die Bäcker verkauften ihre Waren durch die an der Straße gelegenen Fenster ihrer Wohnungen. Nur am Markt, wo auch die Hotels »Zum Erbprinzen« und »Zum Elephanten« sich befanden, gab es Läden mit Schaufenstern, einen für feine Stoffe, einen für Kosmetik und eine Apotheke. Kunden waren hier also vorwiegend die Leute vom Hof.
    Der Reisende aber ließ sich sein Glück durch diese Armseligkeiten nicht mindern. Mit seinem Heimatstädtchen verglichen, war Weimar prächtig, und nicht der Stadt, sondern der Menschen wegen hatte er den weiten Fußweg gemacht. In vollen Zügen konnte er die Gespräche mit so vielen gebildeten Leuten genießen, mehr aber noch die Bewunderung, die ihm von Menschen entgegengebracht wurde, denen seine Verehrung galt. Die eilig an Otto geschriebenen Briefe verraten sowohl den Provinzler, dem vor Staunen der Mund offen steht vor so viel gutem Geschmack, Liberalität und Bildung, als auch den stolzgeschwellten jungen Autor, der jetzt erst merkte, wie groß seine Berühmtheit war. Da er überall seine Bücher loben hörte, hatte er den Eindruck, unter lauter Gleichgesinnten zu sein.
    »Lieber Bruder« , schrieb er an Otto, »Gott sah gestern doch einen überglücklichen Sterblichen auf der Erde und der war ich. … Ach, hier sind Weiber! Auch hab ich sie alle zum Freunde, der ganze Hof bis zum Herzog lieset mich. … Alle meine männlichen Bekanntschaften hier – ich wollte, diese nicht allein – fingen sich mit den wärmsten Umarmungen an. Du findest hier nichts vom jämmerlich Gezierten in Hof, von der jämmerlichen Sorge für die Mode – ich wollte, ich hätte den grünen Talar behalten oder bloß den blauen Stutzrock noch einmal wenden lassen. … Gegen 5 gingen wir drei in Knebels Garten. … Nach einigen Minuten sagte Knebel: wie sich das alles himmlisch fügt, dort kömmt Herder und seine Frau mit den 2 Kindern! Und wir gingen ihm entgegen, und unter dem freien Himmel lag ich endlich an seinem Mund und an seiner Brust, und ich konnte vor erstickter Freude kaum sprechen und nur weinen, und Herder konnte mich nicht satt umarmen. … Mit Herder bin ich jetzt so bekannt wie mit dir. … Er lobte fast alles an meinen Werken, sogar die grönländischen Prozesse. … Das Sprechen von deinem Paul mag etwan, obwohl in Intervallen, 5 Stunden den ganzen Abend gedauert haben. Ich bekäme Sündenbezahlung, sagten alle. … Ich würde jetzt in Deutschland am meisten gelesen; in Leipzig hätten alle Buchhändler Kommissionen auf mich. … Herder erzählte, dass der alte Gleim den ganzen Tag und die ganze Nacht fortgelesen. … Von seinen eignen Werken sprach Herder mit solcher Geringschätzung, die einem das Herz durchschnitt, so dass man kaum das Herz hatte, sie zu loben. … Das Beste ist, was ich ausstreiche, sagt er, weil er nämlich nicht frei schreiben darf, denn er denkt von der christlichen Religion was ich und du. Abends aßen wir alle bei der Ostheim [Charlotte von Kalb, geb. Ostheim] und tranken 2erlei Wein und Nigges (ein milderer Bischof). Sie sind alle die eifrigsten Republikaner. Denke dir den unter Wein, Ernst, Spott, Witz und Laune verschwelgten Abend und die Vormitternacht; ich machte so viele Satiren auf die Fürsten

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