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Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition)

Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition)

Titel: Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter de Bruyn
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schließlich ganz aus.

Abb.56: Jean Paul auf dem Totenbett.
Zeichnung von J. Würzburger
    Drei Tage später gab sich die Stadt mit einer aufwendigen Totenfeier den Anschein, als habe sie es schon immer für eine Ehre gehalten, Wohnort des berühmten Dichters zu sein. Der Leichenzug, der sich nachmittags um fünf, als es schon dunkel wurde, unter dem Läuten der Glocken langsam von Jean Pauls Wohnung in der Friedrichstraße durch die Kanzleistraße über den Markt und die Erlanger Straße zum Friedhof hinausbewegte, wurde von Gymnasiasten mit Fackeln und Laternen begleitet und vom Kantor mit den Alumnen und den Musikanten angeführt. Es folgten die Volksschüler, die die »Levana« trugen, die Gymnasiasten, die die »Unsichtbare Loge« und die »Vorschule der Ästhetik« auf Kissen mit sich führten, während auf dem Sarg das mit einem Lorbeerkranz geschmückte Manuskript der »Selina« lag. Der von vier schwarz verhangenen Pferden gezogene Leichenwagen wurde von den Lehrern des Gymnasiums begleitet, denen die Familie und die Freunde folgten. Die städtischen und staatlichen Vertreter, denen sich einige Einwohner der Stadt anschlossen, bildeten den Schluss. Die Grabrede wurde vom Rektor des Gymnasiums gehalten, und für die um den Dichter trauernde Jugend sprach der Neffe Spazier. Die kirchlichen Zeremonien, an denen übrigens auch der mit Jean Paul befreundete katholische Pfarrer der Stadt teilnahm, wurden von einem Pastor geleitet, der in Hof einst Fritz Richters Mitschüler gewesen war. Es handelte sich dabei um jenen Johann Christian Reinhart, der dem Neuling Richter geraten hatte, dem Französischlehrer die Hand zu küssen, worauf dieser wütend geworden war.
    Diese feierliche Beisetzung Jean Pauls neben dem Grab seines Sohnes ging am Abend des 17. November 1825 vonstatten, am 2. Dezember folgte eine Trauerfeier der Gesellschaft »Museum« in Frankfurt am Main. Hier hielt Ludwig Börne seine später immer wieder zitierte Gedenkrede, in der er Jean Paul den Jeremias seines geplagten Volkes nannte, dessen Klagen nun verstummt waren, während das Leiden geblieben war. Er pries in ihm nicht nur den Streiter für die Freiheit des Denkens, sondern auch für die des Fühlens, den Tröster der Armen und aller Liebenden Freund. »Wir wollen trauern um ihn, den wir verloren, und um die Andern, die ihn nicht verloren. Nicht Allen hat er gelebt! Aber eine Zeit wird kommen, da wird er Allen geboren, und Alle werden ihn beweinen. Er aber steht geduldig an der Pforte des zwanzigsten Jahrhunderts und wartet lächelnd, bis sein schleichend Volk ihm nachkomme. Dann führt er die Müden und Hungrigen ein in die Stadt seiner Liebe; er führt sie unter ein wirtliches Dach: die Vornehmen, verzärtelten Geschmacks, in den Palast des hohen Albano, die Unverwöhnten aber in seines Siebenkäs enge Stube, wo die geschäftige Lenette am Herde waltet und der heiße beißende Wirt mit Pfefferkörnern deutsche Schüsseln würzt.«
    Als im Sommer des nächsten Jahres der Liederdichter Wilhelm Müller die Rollwenzelei besuchte, gab die redselige Wirtin ihrer Trauer folgendermaßen Ausdruck: »Ach Gott, wenn ich bedenke, wie viel der Herr Legationsrat hier, auf dieser Stelle geschrieben hat! Und wenn er sich hätte ausschreiben sollen! Fünfzig Jahre noch hätte er zu schreiben gehabt, das hat er mir selber oft gesagt, wenn ich ihn bat, sich zu schonen und das Essen nicht kalt werden zu lassen. Nein, nein, so ein Mensch wird nicht wieder geboren. Er war nicht von dieser Welt. … Gott hab’ ihn selig! Er war’s hier schon. Eine Blume konnt’ ihn selig machen über und über, oder ein Vögelchen, und immer, wenn er kam, standen Blumen auf seinem Tische, und alle Tage steckt’ ich ihm einen Strauß ins Knopfloch. Es ist nun wohl ein Jahr, da blieb er weg und kam nicht wieder. Ich besucht’ ihn drinnen in der Stadt, noch ein paar Wochen vor seinem Tode; da musst’ ich mich ans Bett zu ihm setzen, und er frug mich, wie es mir ginge. Schlecht, Herr Legationsrat, antwortete ich, bis Sie mich wieder beehren. Aber ich wusst’ es wohl, dass er nicht wieder kommen würde, und als ich erfuhr, dass seine Kanarienvögel gestorben wären, da dacht’ ich: er wird bald nachsterben. Sein Pudel überlebt ihn auch nicht lange, ich hab’ ihn neulich gesehen, das Tier ist nicht mehr zu kennen. Gott, nun hast du ihn bei dir! Aber ein Begräbnis hat er bekommen, wie ein Markgraf, mit Fackeln und Wagen, und ein Zug von Menschen hinterdrein, man kann’s

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