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Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition)

Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition)

Titel: Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter de Bruyn
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Nummer 37, dem »Freiheits-Büchlein«, zur Sprache, wo es heißt: »Diese Abhandlung sollt’ ich fast unsern Zeiten so sehr empfehlen, als sie selber es tut.«
    Seinem hier auch noch eingeschobenen Rat an die Leser, seine 59 Bücher in der Reihenfolge ihres Erscheinens zu lesen, muss aus langjähriger Erfahrung mit Jean-Paul-Erstlesern widersprochen werden, denn die vielen hundert Seiten seiner frühen Satiren sind eine zu zähe Kost für den Anfänger, der sich in die Jean-Paul-Texte, die eine geduldigere als die heute übliche Art des Lesens erfordern, erst ein wenig einlesen muss. Für den Einstieg sind die frühen Erzählungen wie »Wutz« und »Fixlein« besser geeignet, über die dann ein Leser, der auch Mühen nicht scheut, um zu Kunstgenüssen zu kommen, zum »Siebenkäs«, zu den »Flegeljahren« und den anderen großen Romanen fortschreiten kann.

November
    »I ch erwarte ein schönes Leben mit Ihnen« , schrieb Jean Paul im Oktober 1825 an seinen Neffen Richard Otto Spazier. »Der Tag bis morgens zehn Uhr bleibt ganz Ihren Studien überlassen; dann werden Sie die buchhändlerischen Einteilungen der Aufsätze mir besorgen helfen; auch bitte ich Sie, mir für die Werke, die ich zwar keiner Quecksilberkur, doch aber an manchen Stellen einer Quecksilberpolitur unterwerfen werde, die eingeschalteten Verbesserungen für den Setzer aufzusammeln, auch mir für das Chaos meiner Bibliothek, wenn nicht die Hand, doch das Auge zu leihen. Ein wenig Vorlesen – ein wenig Kopieren – ein wenig Sprechen – ein wenig Frohsein – das ist alles, was ich von Ihnen verlange … Sie erraten gar nicht, welchen Balsam für meine verwundeten Augen und für die andere Hälfte des vom Schicksal zerquetschten Körpers Ihre Ankunft mir mitbringt.«
    Miteinander in Berührung gekommen waren Onkel und Neffe erst 1822, als Jean Paul bei einer Reise nach Dresden auch seine Schwägerin Minna Spazier besucht hatte, deren Mann schon 1805 gestorben war. Der vaterlos aufgewachsene junge Mann, von dem Varnhagen behauptete, er sei wahrscheinlich ein Sohn Ludwig Tiecks gewesen, hatte zwar noch keine Zeile von Jean Paul gelesen, aber zu ihm persönlich sofort Vertrauen gefasst. Neben seinem Studium vertiefte er sich nun in das Werk seines berühmten Onkels, besuchte diesen in den Semesterferien und wurde in der Familie Richter, die um den verstorbenen Max trauerte, erst nur geduldet, bald aber immer freudiger begrüßt.
    Als nun im Oktober 1825 der Zweiundzwanzigjährige vom Onkel gerufen wurde, fand er diesen erschreckend verändert. Seine Sehkraft hatte abgenommen und sein Körper war abgemagert, während Wasser seine Beine mehr und mehr anschwellen ließ. Sein vorher rundes Gesicht schien sich durch den Verfall verlängert zu haben, seine glänzenden blauen Augen waren stumpf geworden, und auch das Sprechen fiel ihm schon schwer. Wo der Junge denn sei, wollte er wissen, als Karoline den Neffen ins Zimmer führte, und er streckte die Arme nach ihm aus. Er sprach leise und langsam, aber noch immer in Bildern. Der Himmel, sagte er, strafe ihn jetzt mit Ruten, von denen eine, nämlich die zunehmende Blindheit, zu einem tüchtigen Knüttel geworden sei.
    Tag für Tag saß nun der anstellige Neffe im Arbeitszimmer an dem Tischchen in Fensternähe, auf dem früher der Vogelkäfig gestanden hatte, während der Kranke halb sitzend auf dem gewohnten Kanapee lag. Da er ständig fror, lagen Kissen auf seinen Füßen, und er war in einen Pelzmantel gehüllt. Sein Arbeitstisch vor ihm war noch mit allem versehen, was er zum Schreiben gebraucht hatte, von den Stapeln verschiedenartiger Papiere und der mit einem Lichtschirm versehenen Lampe bis zum Federmesser, der Brille und dem Tintenfass. Das Holzgestell, auf dem sich die Exzerpte und Manuskripte häuften, stand wie gewohnt in Griffnähe, und in der Zimmerecke, zwischen den Bücherregalen, lag auf einem Kissen der Pudel und bewachte den Rosenholzstock und die Umhängetasche, die Jean Paul immer begleitet hatten, als er noch fähig gewesen war, täglich zu seinem stillen Arbeitsplatz in der Rollwenzelei zu gehen.
    Die Arbeiten, die der Kranke mit Unterstützung seines Gehilfen noch zu erledigen hoffte, waren für die bei Reimer in Berlin erscheinenden sämtlichen Werke bestimmt. Nach Festlegung der Reihenfolge der 60 Bände waren vor allem neue Vorreden zu schreiben, eine vom Autor geliebte Arbeit, die er sich bei keiner Neuauflage entgehen ließ. Er diktierte die Texte, ließ sie sich dann

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