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Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition)

Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition)

Titel: Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter de Bruyn
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adlige, ja fürstliche Abstammungen zugrunde, und wenn am Ende des »Hesperus« sich der Ich-Erzähler Jean Paul als geborener Prinz entpuppt, ist doch wohl offensichtlich, dass sich die Spannung zwischen dem Wissen um die eigne Bedeutung und der sozialen Armseligkeit in solchen Träumen entlädt.
    So wie manches Motiv des Frühwerks im Alter in anderer Beleuchtung wiederkehrte, so im »Komet« auch das von der verheimlichten fürstlichen Abkunft, jetzt aber in parodistischer Umkehrung: Der Bürger wird nicht zum Prinzen, sondern er bildet sich nur ein, einer zu sein. Der Apothekersohn Nikolaus Marggraf, der sich für den Markgrafen Nikolaus hält, erlebt eine Kindheit, die der erinnerten seines Autors ähnelt, studiert wie sein Autor in Leipzig und erfindet die Herstellung von Diamanten, durch die er die Armen seines eingebildeten Reiches beglücken kann. Auf der Suche nach seinem fürstlichen Vater und der geliebten Prinzessin, die er als Wachsbüste zum Anbeten mit sich führt, reist er umher, kommt aber nicht weit. Der Hofstaat, mit dem er sich umgibt, besteht aus Halbnarren und dem Kandidaten Richter, der, man schreibt das Jahr 1790, neben seinem Hofamt als Wettervorhersager an der »Auswahl aus des Teufels Papieren« schreibt. »Meine Leser werden erstaunen«, so kommentiert das der Erzähler, »der Kandidat war demnach niemand anders als – als ich selber, der ich hier sitze und schreibe«. Weil er, um den »Hesperus« und den »Titan« schreiben zu können, Erfahrungen mit Fürstenhöfen sammeln musste, glaubt er so fest an die Wirklichkeit des politischen Traumgebildes wie außer ihm nur Nikolaus Marggraf, der wie Don Quijote in seinem Wahn glücklich ist. Da aber dessen Luftschlösser gegen Ende der unvollendeten Geschichte durch einen anderen vom Wahn Besessenen bösartig gestört werden, steht das Wort Entsetzen am Ende des Fragments.
    Jean Paul selbst hat den »Komet« als Gegenentwurf zum »Titan« betrachtet, weil der Glaube an die Veränderbarkeit der menschlichen Verhältnisse, der dem früheren Werk zugrunde gelegen hatte, in diesem aufgegeben war. An die Stelle des Veränderungswillens war die Illusion davon getreten, der sowohl der eingebildete Fürst als auch sein Hofpoet und Wetterprophet erlegen sind. Beide Romane geben den Geist ihrer Entstehungszeit wieder, der »Titan« den der Hoffnung, der »Komet« den der Resignation. Als der dänische Dichter Jens Peter Baggesen im Frühjahr 1825 Jean Paul besuchte, soll er, wie überliefert ist, gesagt haben: »Mein Gott, Jean Paul, ich bin ja der Nikolaus Marggraf!« , worauf Jean Paul erwidert habe, das sei er ja selbst.
    Wäre der Roman fortgesetzt worden, hätte er sich, wie Notizen zeigen, zu einem satirischen Panorama der Restaurationszeit entwickelt, aber nach dem Tod des Sohnes und des Freundes Heinrich Voß war Jean Paul der Sinn fürs Komische verlorengegangen, und er wandte sich nun wieder dem Religiösen zu. In »Selina oder über die Unsterblichkeit der Seele« wurde von ihm erneut die Hoffnung beschworen, nun aber jene, die jenseits des Grabes liegt. Fertigstellen konnte er diese Arbeit so wenig wie die geplante Schrift gegen die modischen Mystiker, die Überchristen, so dass der dritte Band des »Komet« die letzte Veröffentlichung zu seinen Lebzeiten blieb. Er schließt mit einem Anhang, in dem sich unter anderem auch »Des Kandidaten Richter Leichenrede auf die Jubelmagd Regina Tanzberger in Lukas-Stadt« findet, in der wie am Beginn seines Werkes wieder ein geknechtetes Leben gewürdigt wird. »Es ist hart, den ganzen Tag im Kleinsten wie im Größten keinen andern Willen zu vollstrecken als den fremden und etwa höchstens in der Nacht durch Träume eine dunkle Freilassung zu gewinnen, falls sie nicht ganz wieder die Knechtschaft nachspiegeln. … Zum Glück ist Sterben der einzige Wunsch, der stets in Erfüllung geht, sei man noch so verlassen von Menschen und Göttern.«
    Ganz zum Schluss des Anhangs allerdings steht ein Kapitel, das nach einem satirischen Hinweis auf Raubdrucke seiner Bücher in Österreich nur die Liste seiner sämtlichen Werke »nach der Zeitfolge ihres Erscheinens« enthält. Mit ein bisschen Schummelei kommt er dabei auf 59 Titel, die den 59 Jahre alten Autor zu der stolzen Bilanz berechtigen: auf jedes seiner Lebensjahre komme ein Buch. Sein Ärger über die in diesen Jahren sich ständig verschärfenden Zensurmaßnahmen kommt selbst noch in dieser nüchternen Aufzählung durch einen Zusatz zu

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