Das Leben einer anderen: Roman (German Edition)
haben wir damals ohnehin noch nicht viel verdient. Doch das Scheunendach machte mir Sorgen und ein Hickoryhain am Rande des Grundstücks, bei den Erdbeerfeldern.
Wir waren damals noch jung. Aber ich trug viel Verantwortung: hatte zweihundert Morgen Land zu bebauen und vier Mädels zu füttern – kleine Frechdachse, die Älteste noch keine sechs Jahre alt, die Jüngste an der Flasche. Und eine gute Ehefrau, wenn sie auch nicht von der Sorte war, die einen freudig im Bett empfängt, sommers wie winters.
An diesem Abend sollte das erste Baseballspiel des Finales stattfinden, die Yanks gegen die Dodgers, aber ich wusste schon, dass wahrscheinlich vorher der Strom ausfallen würde. Die Sox waren wie üblich im September ausgeschieden. Auf manches kann man sich felsenfest verlassen, und das gehörte dazu.
Connie brachte gerade die Wäsche rein, als der Anruf kam. Die Frau von der Zentrale – zehn Minuten später, und sie wäre nicht mehr durchgekommen. Ein Baum war auf die alte Landstraße gestürzt, und da ich Einsatzleiter der freiwilligen Feuerwehr war, musste ich mich darum kümmern. Ich schlüpfte in meinen Regenmantel und sagte Connie, sie solle nicht auf mich warten. Obwohl ich vorher noch gedacht hatte, dass ich bei dem Sturm vielleicht heute eine Chance hätte bei meiner Frau. Seit Monaten hatte ich ihr höchstens mal einen Kuss auf die Wange geben dürfen, und alles andere fehlte mir fürchterlich.
Dann bin ich also mit dem Pick-up unterwegs zu der Stelle, wo der Baum auf der Straße liegen soll. Weit und breit natürlich niemand zu sehen; ist auch verrückt, bei diesem Wetter draußen zu sein. Sogar mein Wagen wird vom Sturm gebeutelt. Eine heftige Bö kann den bestimmt umwerfen, so schwer er auch ist.
Plötzlich sehe ich vor mir auf der Straße eine winkende Gestalt in einer gelben Regenjacke. Der Sturm peitscht den Regen jetzt quer über die Straße.
Ich fahre näher ran und steige aus. Es ist eine Frau mit einem kleinen Jungen im Alter meiner Mädels – vier, vielleicht fünf.
»Ich brauche Hilfe«, sagt die Frau. »Bin mit dem Wagen von der Straße abgekommen und weiß nicht, wie wir heimkommen sollen.«
Ich helfe den beiden in den Wagen. Als die Frau die Kapuze absetzt, erkenne ich sie; im Sommer hat sie einmal am Stand Erdbeeren, ein andermal Mais gekauft. Sie hat lange blonde Haare und ist fast eins achtzig groß – eine schöne Frau. Ihr Sohn, der zitternd zwischen uns sitzt, ist ihr wie aus dem Gesicht geschnitten.
»Was für ein Glück, dass Sie grade hier langgefahren sind«, sagt sie. »Ich wusste gar nicht, was wir tun sollten.«
Mit knapper Müh und Not erreichen wir ihr Haus – aber ich mache noch kurz halt bei dem umgestürzten Baum, zersäge ihn und ziehe die Teile an den Straßenrand. Meine Hände sind so kalt, dass ich die Kettensäge kaum bedienen kann. Und ich bin natürlich völlig durchnässt, habe sogar Wasser in den Stiefeln.
Ihr Haus ist dunkel. Stromausfall.
»Ihr Mann wird sich Sorgen machen«, sage ich.
»Unwahrscheinlich. Ist verreist«, antwortet sie. »Und er sorgt sich ohnehin nicht um mich.«
Sie lädt mich ein, mit reinzukommen. »Sie sollten sich wärmen und abtrocknen«, sagt sie. »Ich gebe Ihnen einen Whiskey. George hat immer welchen im Haus.«
Ich trinke keinen Alkohol – oder jedenfalls sieht Connie es nicht gern –, aber ich folge der Frau ins Haus. Und muss wieder daran denken, wie sie bei uns am Stand war und Mais kaufte und Connie danach sagte, dass sie einen Pferdeschwanz bei Frauen dieses Alters komisch fände. Aber ich weiß noch, dass mir die Frisur gefiel.
Wir stehen in der Küche. Der Junge ist mit einer Taschenlampe nach oben gerannt, um sich etwas Trockenes anzuziehen, aber die Frau und ich stehen immer noch da in unseren nassen Kleidern, und auf dem Linoleumboden bilden sich Pfützen.
Dann hören wir ein ohrenbetäubendes Krachen, lauter als der Sturm. Es hört sich an wie der Weltuntergang, und als ich die Tür einen Spalt öffne, sehe ich, dass ein Baum entzweigebrochen ist – die große alte Ulme, die schon im Sturm schwankte, als wir vorfuhren.
Äste sind auf dem Dach gelandet, der Stamm ist geborsten, und die Krone liegt quer über meinem Wagen. Vielleicht ist er noch zu retten, aber das lässt sich im Moment schwer sagen. Jedenfalls ist klar, dass ich an diesem Abend nirgendwo mehr hin fahre.
Sie hat nichts zu essen im Haus. Dieses Mädel, das da bis auf die Haut durchnässt in seiner Küche steht, hat in jeder Hinsicht etwa
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