Das Leben einer anderen: Roman (German Edition)
so viel Ähnlichkeit mit meiner Frau wie eine Artischocke mit einer Kartoffel. Connie könnte ihre Familie drei Monate lang vom Inhalt ihrer Speisekammer ernähren, wohingegen diese blonde Bohnenstange uns nur ein paar Cracker anbieten kann und etwas, das ich noch nie zuvor gegessen habe: Joghurt. Aber komischerweise macht mir das gar nichts aus. In ihrer Nähe zu sein stillt meinen Hunger.
Sie bietet mir Whiskey an. Stellt die Flasche auf den Tisch, neben die Kerzen. Wir trinken aus demselben Glas.
Irgendwann geht der Junge schlafen und fragt mich noch, als er die Treppe hochsteigt: »Wer bist denn du?«
»Ich bin ein Feuerwehrmann«, antworte ich ihm. Aber für den Jungen ist das sicher rätselhaft: Wo sind meine Uniform, der Wasserschlauch, das Feuerwehrauto?
Als er verschwunden ist, bringt mir die Frau trockene Sachen zum Anziehen – ein Hemd und eine Hose von ihrem Mann. Ich ziehe mich in der Küche um, ist ohnehin dunkel. Die Kleider sitzen komisch, da ihr Mann offenbar viel kleiner und nicht so wohl genährt ist wie ich. Die Frau geht nach oben, und als sie zurückkommt, hat sie auch was Trockenes angezogen – einen Morgenmantel mit Blumen und Spitze; so was würde Connie nie tragen, und selbst wenn, muss ich sagen, hätte es nicht mal annähernd diese Wirkung.
Die Frau lacht, als sie mich in den Kleidern sieht; die Hose ist mir gut fünfzehn Zentimeter zu kurz.
»Wir Planks sind immer groß«, sage ich, »wobei meine vier Töchter, was die Größe angeht, alle nach der Mutter geraten sind.«
Als ich das gesagt habe, wünsche ich mir, ich hätte Connie nicht erwähnt, aber das scheint der Frau nicht aufzufallen.
»Ich werd vielleicht mal Musik auflegen«, sagt sie.
»Es gibt aber keinen Strom, schon vergessen?«, frage ich sie und denke daran, dass bei uns zuhause immer Bischof Fulton J. Sheen im Radio läuft.
»Wir haben ein Grammofon«, sagt sie. »Ich mag Schellackplatten viel lieber.«
Sie legt Peggy Lee auf, Bali Ha’i . Das mag ich auch.
Dann steht sie im dunklen Zimmer. Die Kerzen sind fast heruntergebrannt und flackern, und draußen ächzt und stöhnt der Wind. Von oben ruft der Junge: »Ich hab Angst.«
»Er fürchtet sich immer bei Unwettern«, sagt sie und geht die Treppe hinauf.
Ich sage ihr noch, dass ich den Regen mag. »So sind wir Farmer. Immer die Ernte im Auge.«
Als sie wieder herunterkommt, sagt sie, der Junge habe sich beruhigt. Und da tanzen wir.
Dana
Wunderbare Lebewesen auf Erden
I ch fuhr zur Plank-Farm. Edwin und ich hatten keine schriftlichen Abmachungen über unser Erdbeerzuchtprojekt, doch für mich war immer klar gewesen, dass ihm die Hälfte der Einkünfte zustand. Aber ich wollte Ruth auch noch aus anderen Gründen treffen. Ich fand, dass wir nun endlich über die Vergangenheit sprechen sollten. Über jene Ereignisse, die dazu geführt hatten, dass wir von den falschen Familien großgezogen wurden.
Es war Oktober, Hurrikanzeit, und als ich vor dem Farmhaus anhielt, sah ich Ruth auf der alten Veranda sitzen und über die Felder blicken. Sie schenkte mir ein Glas Wein ein, als hätte sie mich erwartet. Es waren weniger Erklärungen notwendig, als ich angenommen hatte. Auch sie kannte inzwischen die ganze Geschichte.
Als sie mir erzählte, dass ihre Familie gegen ihren Willen beschlossen hatte, die Farm zu verkaufen, hielt ich es für einen günstigen Moment, um ihr zu berichten, dass ich einen Scheck über hunderttausend Dollar für sie in der Tasche hatte. Es stellte sich heraus, dass auch Ruth selbst unlängst überraschend zu einer größeren Geldsumme gekommen war. Zusammen mit der Lebensversicherung von Clarice konnten wir so Victor Patuccis Angebot überbieten, und die Familie nahm an.
Nachdem die Schwestern ihren Anteil bekommen hatten und weggezogen waren (nach St. Pete in Florida und Las Vegas in Nevada, und Winnie tingelte mit ihrem Wohnbus quer durchs ganze Land, von einem Campingplatz zum nächsten), vermieteten Ruth und ich ihre Häuser.
Ich nahm Abschied von Fletcher Simpsons Haus, verkaufte es und zog mit meinen Ziegen auf die Plank-Farm. Es stellte sich heraus, dass Edwin damals, als er Grundstücke für seine Töchter auf dem Farmland festlegte, auch eines für mich ausersehen hatte. Auf diesem Stück Land, oberhalb von Ruths Haus, baute ich mein Blockhaus.
Ich betreibe jetzt die Farm. Victor hat sich anderweitig orientiert. Unser Bruder Ray lebt weiterhin im betreuten Wohnen. Es gibt kleine positive Entwicklungen – er hat zum Beispiel
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