Das Leben Findet Heute Statt
was uns aus dem Bett holt. Im Hinblick auf Arbeit und Freizeit kann der Wechsel zwischen Frei- und Gebundensein an etwas von mir bestimmt werden. Oder sagen wir es nicht ganz so extrem: Er kann von mir mitbestimmt werden.
Auf den Tag hin gesagt: Sie dürfen auch früher aufstehen und morgens allein oder in der Familie eine ausreichende Zeit miteinander verbringen. Wem das was wert ist, der steht nicht erst dann auf, wenn er zur Arbeit oder Schule muss. Sondern so, dass er gemeinsam mit anderen den Tag beginnen kann. Oder so, dass ein ruhiger Blick in ein Buch oder ein Verweilen vor einem Kreuz oder einer Kerze möglich wird. Oder so, dass ein Vorsatz für das, was vor einem liegt, in ein Tagebuch geschrieben werden kann. Oder so, dass Schlafzimmer und Bad und Küche in eine Ordnung gebracht werden, die einen abends wieder gern heimkommen lässt.
Auf die Woche hin bezogen: Wir können mitbestimmen, wiewir sie gestalten. Fünf Tage in der Woche müssen wir aufstehen; am Sonntag dürfen wir aufstehen. In der abendländischen Kultur ist dieser Tag als erster Wochentag festgeschrieben. Samstags darf man ausruhen. Und am Sonntag fängt die Woche mit einem freien Tag an. Den ersten Christen war das wichtig: Sie störten mit ihren Gottesdiensten am damals ersten Wochentag nach dem Sabbat die gewohnte Ordnung. Sie feierten den ersten Tag der Woche als den Tag, an dem Jesus auferstanden ist. Auch wenn man den christlichen Glauben (noch) nicht teilen kann: Es kann sehr schön sein, einmal ohne berufliche Gründe aufzustehen. Einfach nur, weil man damit in seinem Leben einen besonderen Akzent setzen will. Denn wir Menschen sind nicht Opfer der immer gleichen Anforderungen, denen wir nur blind gehorchen müssen. Der Sinn der Arbeit und des Lebens besteht nicht darin, dass am Ende etwas dabei herauskommt, und sei es ein freies Wochenende. Der Sinn, den Sonntag als ersten Tag der Woche einzuhalten, zeigt sich vor allem in der Gestaltung des Tages. Dort wird deutlich, was Priorität hat, was zuerst kommt: der Mensch, die Freiheit, das Spiel, die Liebe. Und natürlich Gott. Und von diesem freien Tag, mit dem die Woche beginnt, fällt ein ganz neues Licht auf die Arbeit, die vor einem liegt.
Auf das Jahr hin gesagt: Wir können uns einlassen auf die Art, wie es uns führt. Das kostet allemal weniger Kraft, als sich seinem Lauf zu verweigern. Hier im Chorraum des Klosters wird uns durch unterschiedliche Texte deutlich gemacht, ob gerade Advents- oder Weihnachtszeit ist, wann Fasten- und wann Osterzeit ist. So kann sich jeder auf den Kreislauf der zwölf Monate einstellen, auch wenn ihm das Kirchenjahr fremd ist. Gönnen wir uns doch als Menschen mit dem individuellen Biorhythmus unserer Breitengrade den erholsamen Wechsel der Jahreszeiten.Es kostet unnütz viel Kraft, vor dem Winter in die Sonne zu fliehen und vor dem Herbst in den ewigen Frühling ferner Inseln. Warum sich im Winter schon mit vier Tagen Sommer trösten? Wir werden glücklicher sein, wenn wir die Chance ergreifen, die im Rhythmus der Natur liegt. Sonst geraten wir aus dem Takt und kommen im Heute nicht mehr zurecht.
Der Rhythmus von Frei- und Gebundensein an etwas im Hinblick auf die ganze Lebensspanne meint die richtige Einschätzung des Moments, wann ich mich mit Vollgas aus der Freiheit der Kinder-, Jugend- und Ausbildungszeit an meinen Auftrag binde, den ich bis dahin gefunden habe. Und dass ich mich zurücknehmen kann und wieder aussteigen kann, wenn das Lebenswerk vollbracht ist. Für viele ist diese Lebensspanne so lang, dass sie sich mit etwa 50 ein ganzes Jahr der Sabbatzeit gönnen, sofern sie es sich leisten können, weil sie früh genug ganz eingestiegen sind. Gönnen Sie es sich, Ihr Leben als Ganzes in den Blick zu nehmen und es vom Ende her zu sehen. Für mich sind die Gedanken daran, dass ich einmal anfing zu leben und dass mein Leben einst verlöschen wird, mal ganz abgesehen von meinem Glauben, wie zwei Haltepunkte, zwischen denen ich leben will – und zwischen denen ich nicht gelebt werden will. Dabei entsteht eine Spannung, die mich in die Verantwortung nimmt. Der Geringe, der sich fit hält, um auf der Spur zu bleiben, und sich fragt, was wohl aus seinem ganzen Leben werden wird, dem ist keinen Tag langweilig im Leben.
Wir können uns auf den Weg machen, das Glück zu finden, das wir in unserem Leben schlummern spüren. Dafür müssen wir uns aber an einen Rhythmus binden, der nicht von den sogenannten Notwendigkeiten vorgegeben wird. Die
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