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Das Leben Findet Heute Statt

Das Leben Findet Heute Statt

Titel: Das Leben Findet Heute Statt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruder Paulus Terwitte
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Prozess des Erwärmens Eiweiße zersetze und unverdaulich mache, werden selbst in der höheren Gastronomie beiseitegeschoben. Am schlimmsten ist es bei den Hunderten von Fast-Food-Stationen: Man greift gierig zu jeder Technik, die dem Kunden die Mahlzeit immer schneller auf den Tisch bringt. Der Kunde will nicht lange warten. Er müsse gleich zum Termin, signalisiert er schon drängelnd. Damit zeigt sich beim Essen ein Prinzip, was ganz Deutschland erfasst hat: Zeitgewinn vor Gesundheitsgewinn.
    Manche merken noch, wie ungesund und wenig sättigend das Essen ist, wenn man es nur noch aufgewärmt herunterschlingt. Sie ändern aber wenig an ihren Gewohnheiten, weil sie sich vertrösten lassen: Jetzt geht es um die Arbeit. Jetzt geht es um Termine. Richtig essen – das machen wir am Wochenende. Dann haben wir dafür Zeit. Dann fängt das wahre Leben an, zu dem auch die Zubereitung leckerer Speisen gehört und der Genuss, das zu essen, von dem man weiß, dass was Gutes drin ist.
    Obwohl Kochen, Essen und Eile nicht zusammengehören, wird in den Küchen gern auch deswegen auf das Tempo gedrückt, weil man dann Personal einsparen kann. Wenn der gesamte Prozess der Zubereitung dank ausgefeilter Technik nichtmehr so viel Aufwand bedarf, kann einer ja in derselben Zeit für viel mehr Leute kochen. So ist der Erfolg von Convenience-Produkten oder Tütensuppen auch in der Großküche zu erklären. Und die Privathaushalte machen da einfach gedankenlos mit: Warum soll man sich denn auch der Mühe des Kochens unterziehen, wenn das Essen aus der Packung in zehn Minuten zusammengerührt werden kann?
    Doch diese Mühe gehört zum Leben. Das Schlaraffenland ist nicht der Himmel, sondern eher die Hölle. Denn dort gibt es keinen Kontakt zum Mitmenschen und zu den Mitgeschöpfen, sondern nur zum eigenen Bauch. Essen aber ist Kommunikation mit der Schöpfung. Sie stellt uns die Nahrungsmittel bereit, die durch Erde, Sonne und Wasser gewachsen sind. Mit der Hitze des Kochens kommt das vierte Urelement hinzu. Wer isst, nimmt die Urkräfte des Lebens in sich auf. Sie zuzubereiten ist ein schöpferischer Kommunikationsprozess mit den Dingen, die wir frisch vom Leben nehmen. Wer isoliert nur noch Halb und Vorgegartes konsumiert, beschädigt den lebenswichtigen Austausch mit dem Ganzen seines Lebensraums. Die Milch kommt eben nicht aus der eckigen Tüte.
    Wo noch der Bruder Koch mit Leidenschaft seinem Handwerk nachgeht, sind die Küchen auch die Kommunikationszentralen im Haus, in denen nicht nur Obst und Gemüse verarbeitet werden, sondern auch das, was im Gemeinschaftsleben gerade «kocht». Wenn im Garten die Früchte reif sind oder das Gemüse zu ernten ist, wird jede Hand gebraucht. Das sind dann die Sternstunden. Jeder ist eingebunden in die Sorge um eine gefüllte Vorratskammer für den Winter. Beim Gemüseputzen und Obsteinkochen entstehen ernsthafte und bedeutungsvolle Gespräche wie von selbst. Schnipseln und Schneiden finden dabei auch im übertragenen Sinn statt: Mancher Brocken, deneiner mit einer enttäuschenden Erfahrung schlucken musste, ist einfach zu groß. Das Anhören des anderen und das behutsame Nachfragen gehen bei der gemeinsamen Küchenarbeit fast wie von selbst. Es braucht seine Zeit, bis die Ereignisse des Alltags wirklich verdaut werden können. Liebe geht eben wirklich durch den Magen. Und sie zeigt sich ganz deutlich in der Vorbereitung der Nahrung für den Magen.
    Die Anzahl der Kochbücher und -shows steht im strengen Gegensatz zur rauen Wirklichkeit in deutschen Küchen. Die Fachleute an den Studioherden verstärken eher den Eindruck, Kochen sei etwas Abgehobenes. Was bleibt einem da anderes übrig, als die Wirklichkeit der eigenen Anstrengungen hinter dem Herd daheim schlechtzureden und sich damit zu trösten, dass man später vielleicht einmal die entsprechenden Kurse belegen wird?
    Man kann sich freilich auch jetzt schon weiterbilden. Doch helfen die meisten Druckwerke dabei nicht wirklich. Sie zeigen auf Hochglanzfotos perfekt inszenierte Speisen, die den Frust der Kochenden nur noch erhöhen. Wer kann das schon so genau hinbekommen? «Keiner», muss die Antwort heißen. Denn all die schönen Fotos kommen aus der Werkstatt von Foodstylisten und Lebensmittelfotografen. Da wird viel mit Plastik und Tricks gearbeitet. Dargestellt wird nicht die Wirklichkeit. Es wird nur ein Traum inszeniert, der ganz vom Ideal der äußeren Hülle bestimmt wird – nicht vom Inhalt her. Eine Art Schlaraffenland, in dem auch

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