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Das Leben Findet Heute Statt

Das Leben Findet Heute Statt

Titel: Das Leben Findet Heute Statt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruder Paulus Terwitte
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für unseren Körper bringt. Mir gefällt auch das Bild vom Herzmuskel gut: Zusammenziehen und Loslassen ist seine Arbeit. Wir Brüder lassen uns im Gebet hier im Chorraum immer wieder zusammenrufen und gehen von hier aus immer wieder neu an die Arbeit.
    Solche Unterbrechungen sind wichtig, damit wir den Sinn für unser Leben und Arbeiten nicht verlieren. Sie gehören auch zum Alltag von Christen, die noch darum wissen, dass es etwa ein Gebet gibt, das Katholiken dreimal am Tag sprechen: den sogenannten Engel des Herrn. Es dauert nur zwei Minuten, wenn man es andächtig betet, und kann doch eine Revolution auslösen. Ich fordere Jugendliche gern dazu auf, weil ich immer noch nicht den Glauben daran verloren habe, dass sie eigentlich nicht so angepasst sein wollen, wie sie es heute schon sind: Legt in der Schule im Unterricht mittags um zwölf Uhr mal den Stift hin, faltet die Hände und betet leise dieses Gebet. Verbindet euch dabei mit allen Menschen, die das auch tun. Hört die Glocken, die um Punkt zwölf läuten, um die Christen an Gott zu erinnern und die Katholiken zu diesem Gebet einzuladen. Im Büro ist das ebenso möglich wie auf der Baustelle. Im Krankenzimmer ebenso wie im Urlaub. Einfach den gewohnten Gang unterbrechen. Und zwar nicht wegen einer Sucht: Für die Zigarettenpause hat jeder Verständnis. Nicht wegen eines dringenden Bedürfnisses: Wer bekäme deswegen nicht die Erlaubnis, die Anwesenheit zu unterbrechen? Nicht wegen eines Telefonanrufs: Selbst der bringt Menschen dazu, ihr Gegenüber zu vernachlässigen für etwas, von dem noch gar nicht sicher ist, ob es wirklich so wichtig für sie sein wird. Nicht für all das, das uns letztlich aus sehr weltlichen Gründen doch nur weiter antreibt. Es ist nichts anderes als eine Reihe von Pausen, die uns keine Erholunggeben, sondern selbst schon Teil des gewohnten Gangs sind. Und weil man bei manchen schon die Uhr danach stellen kann, wann sie rausmüssen, wann sie sich anrufen lassen, um wichtig zu erscheinen, oder wann sie sich unerklärlicherweise gerade in einem bestimmten Moment schlecht fühlen, geraten solche Unterbrechungen zu einem Running Gag.
    Hilfreich sind sie nicht. Sie sind Teil des gewohnten Gangs unseres Lebens. Sie bringen uns nicht weiter, um Anschluss an die tieferen Schichten unseres Daseins zu finden. Sie stoppen nicht das Hamsterrad, in dem wir uns zwar in Bewegung wähnen, aber keinen Schritt vorankommen.
    Es gehört eine Portion Zivilcourage dazu, vor all den gewichtigen Gründen, warum man das Leben unterbrechen müsste, dem wichtigsten aller Gründe Geltung zu verschaffen. Terminkalender, Handyklingeln oder Verdauungsprobleme brechen wie sensationelle News beständig in unser Leben ein. Wir gewähren ihnen automatisch das Recht, den gewohnten Gang aufzuhalten. Auf diese Weise gehören sie aber selbst schon zum gewohnten Gang. Wir zappen von Ereignis zu Ereignis, lassen uns bannen von flimmernden Nachrichtenlaufbändern und immer neuen Programmen, die uns vielleicht noch mehr bringen – und uns gleichzeitig davon abhalten, das zu tun, was wir heute eigentlich wollten. Ihr Trost: Morgen sei ja auch noch ein Tag. Aber morgen, da kann man drauf schwören, geht es mit diesen Wichtigtuern so weiter. Sie halten uns davon ab, in Echtzeit zu leben. Und weil es auch mit ihnen ebenso weitergeht wie mit dem, was sie uns immer uninteressanter erscheinen lässt, fördern sie noch, so aufregend sie auch daherkommen, die allgemeine Langeweile.
    Dagegen ist Widerstand zu leisten. Der Aufenthalt im Chorraum des Klosters hilft uns dabei. Er bindet uns ans Heute. Erist so etwas wie eine Art Ausstiegsluke aus dem Alltag, der uns auch im Kloster oft genug einfach mit sich fortreißen will. Wir verstehen uns als Aussteiger, die immer wieder die Luft Gottes schnuppern wollen. Mit einer kräftigen Brise geht es dann wieder in den Alltag hinein, manchmal mit einem neuen, manchmal mit der Bestätigung eines alten Gedankens. Die regelmäßige Sammlung zum Gebet hilft uns zu tun, was Franziskus uns rät: Die Brüder sollen mit Hingabe arbeiten. Sie sollen so arbeiten, dass dabei der Geist des Gebets und der Hingabe nicht ausgelöscht wird. Das hört sich nicht so sehr nach dem mönchischen Prinzip «beten und arbeiten» an. Das meint eher «beten im Arbeiten».
    Dahin findet, wer sich klarmacht, was sich wichtigmachen darf im eigenen Leben. Sie lesen richtig: Es ist notwendig zu hinterfragen, wem wir es erlauben, für uns wichtig zu sein. Wir entscheiden,

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