Das Leben Findet Heute Statt
nicht an den Tisch zurückkommt. Ein Gespräch wird nur so lange geführt, bis der Erste fertig ist und ebenso wieder seines Weges geht, wie er allein an den Tisch gekommen ist mit seinem Essen. Statt eine Gemeinschaft beim Mahl zu bilden, wird auch hier schon dasPrinzip der Futtertheke angewandt. Lebendig und kreativ ist das nicht.
Die Verbindung von Küche und Refektorium ist für uns mehr als nur eine Tür, durch die das Essen gereicht wird. Essen ist ein Vorgang, der mit der Küche verbunden ist. Essen als Kommunikation mit der Schöpfung, die wir in uns aufnehmen, hat Kommunikation zur Folge sowohl mit denen, die unsere Nahrung zubereiten, als auch mit denen, die mit uns am Tisch sitzen. Nicht ohne Grund sind offene Küchen in Restaurants so beliebt. Man nimmt teil am Prozess des Kochens. Die Hingabe, mit der in der Küche gearbeitet wird, überträgt sich auf die Gemeinschaft am Tisch.
Wer sich daheim Gäste einlädt, sollte nicht alles allein vorbereiten. Es ist ein besonderes Ereignis, Freunde zu bitten, bei der Vorbereitung des Festes zu helfen. Es kommt nicht allein darauf an, dass «später» alles fertig ist. Nein, hier und jetzt beginnt das Fest. Den Raum und den Tisch schmücken, in der Küche helfen, sich auf die Gäste einstellen: Ja, Vorfreude ist die beste Freude und gehört mit zum feierlichen Mahl, zu dem wir eingeladen haben.
Nicht jede Mahlzeit hier im Refektorium ist ein Festmahl. Die Einrichtung des Raums und die Riten rund ums Essen helfen uns aber, auch im Alltag achtsam zu speisen. Allein schon dass die Zeiten klar sind, wann wir uns hier treffen, ist hilfreich und zudem noch gesund. Nur zu essen, wann der Hunger es in einen hineintreibt, wie manche sagen, gehört zu den Unsitten unserer Tage. Verabreden Sie sich mit Kollegen oder Bekannten zu gemeinsamen Mahlzeiten, wenn Sie nicht daheim essen können. Es entlastet den Magen und die Beziehung, wenn klar ist, wann Sie mit wem gemeinsam speisen möchten. Auch die Familie und ein Singlehaushalt brauchen Zeitzonen, die ausschließlich demEssen gewidmet sind. Schön, wenn die Kinder von Anfang an mit einbezogen werden und nicht nur auf das Kommando «Essen ist fertig» an den Tisch stürmen. Kindergärtnerinnen erzählen mir, dass sie mit den Kindern regelrecht ganz von vorn anfangen müssen: Am Tisch sitzen bleiben beim Essen. Nicht sofort beginnen, wenn der Teller vor einem steht, sondern auf alle warten. Von allem probieren, was auf dem Teller ist. Gemeinsam das Mahl beenden. Manche Kinder müssen sogar erst noch lernen, richtig zu kauen. Nicht zu viel in den Mund nehmen. Lange genug die Zähne benutzen. Sorgsam auch Kraft dabei anwenden. Nicht zu schnell die Nahrung herunterschlucken. Wenn ich durch die Fußgängerzonen gehe und sehe, wie dort Männer und Frauen nach vorn gebeugt einen Döner Kebap eher lutschen als essen, wundert es mich nicht, was man deren Kinder alles lehren muss.
Ich würde gern Jugendliche davon überzeugen, auf Fast-Food-Orgien zu verzichten und stattdessen eine Vegetarierparty zu machen, die mit dem Einkauf auf dem Markt beginnt, mit Gemüseputzen weitergeht und mit Kochen und Backen und Braten zu einem schönen Gemeinschaftserlebnis führt. Vermutlich würde es so kommunikativ werden, dass nicht einmal Musikberieselung nötig wäre, weil die Bearbeitung der Natur uns ganz archaisch öffnet für die «Musik», die in den Dingen ist.
Auch diese Party darf nicht später anfangen. Das Leben ist hier und jetzt: sich Zeit nehmen, Essen zubereiten und Mahl halten. Nicht blind hineinschieben, sondern dankbar von der Natur empfangen, in der Küche verarbeiten, am Tisch entgegennehmen und gespannt sein, wie es jetzt wohl wieder schmecken wird. Das ist die Aufgabe. So entstehen Orte, an denen man miteinander redet und Pläne schmiedet, die gemeinschaftlichen Anliegen durchkaut und auch auf Ideen kommt, von denen mannoch nicht weiß, ob sie einem denn schmecken werden. Macht aber nichts. Beim Mahl erhalten wir Kraft für ein Leben, das bereit ist, heute anzufangen. Wer bis morgen wartet, weil er denkt, dass es ihm dann besser schmecken wird, bekommt es morgen nicht mehr warm. Und es ist nicht ganz frisch.
8. Die Klosterzelle I
«Ich habe keine Zeit!» Oder: Den Tag persönlich gestalten
Die öffentlichen Räume des Hauses stehen jedem Bruder zur Verfügung. Das Gegenstück dazu bildet die persönliche Klosterzelle. Um zu ihr zu gelangen, müssten wir jetzt die Treppen hinaufgehen. Leider kann ich Sie nicht dahin
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