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Das Leben in 38 Tagen

Das Leben in 38 Tagen

Titel: Das Leben in 38 Tagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Scheidecker
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„Ja, - hattest du das etwa nicht vor?“, gab ich
zurück. Wir lachten vieldeutig, jeder in seinen eigenen Gedanken verstrickt,
während wir einträchtig nebeneinander an der Kapellenrückwand lehnten.
    Was
wussten wir schon voneinander? Aber wir hatten zusammen eine besondere Hürde
überwunden. Das verband. Jeder Schritt sagte Ja zum Leben und zum Weiterleben!
    Wir
genossen die Aussicht und das langsame Hinunterfahren unserer hohen Herz- und
Atemfrequenz. „Wenn man ein schwieriges Ziel erreicht hat, ist das Leben immer
besonders schön!“, begann Wolfgang wieder. „Ja, da hast du recht, aber selbst
hier oben ist es nicht immer so schön, wir haben schon ein besonderes Glück mit
dem Wetter und überhaupt, dass wir den Weg laufen können! Damit sind wir schon
privilegiert. Ich hoffe nur, dass ich vor allem die Dankbarkeit darüber mit in
mein tägliches Leben hinein nehmen und festhalten kann“, antwortete ich.
Wolfgang stimmte mir zu. „Genau das habe ich auch schon gedacht. Man darf neben
allen Problemen nicht verlernen, dankbar zu sein. Allein schon für das Leben
und die Möglichkeiten, die wir haben. Das wird einem hier auf dem Weg richtig
bewusst!“
    Wir
beide teilten redlich unsere Vorräte und gingen dann zusammen weiter. Plötzlich
bemerkte ich, dass mir etwas fehlte. Meine Stöcke! Ich hatte sie doch
tatsächlich vor lauter Schnattern stehen gelassen. Wohl oder übel musste ich
ein Stück zurücklaufen, während ich Wolfgang bat, schon voranzugehen. Es
dauerte eine Weile, ehe ich die Stöcke fand. Ein englisches Ehepaar brachte mir
ein Paar entgegen, die einsam am Zaun gelehnt hatten, aber es waren nicht
meine.
    Plötzlich
rief ein junges Mädchen: „ Here are the stocks !“ Da standen sie
doch tatsächlich oben auf dem Steinhaufen neben dem Kreuz und warteten auf
mich. Ob das eine Bedeutung haben sollte, dass ich noch einmal da hochklettern
musste?
    Auf
jeden Fall lief ich nun wieder allein in der herrlichen Bergwelt und kam kurz
darauf an einem ganz und gar verfallenen Dorf vorbei. Von hier aus hatte man
einen grandiosen Blick auf die tiefen Schluchten, Täler und Berge ringsum. Auf
einem verwitterten Holzschild stand der Name „Manjarín“. Hier war wirklich kein
einziges Haus mehr bewohnt, nur ein ehemaliger Pilger hatte sich allen
Widrigkeiten zum Trotz als Einsiedler niedergelassen. Tomás, der sich in der
Tradition der Tempelritter sieht, war in der Region mittlerweile berühmt für
seinen Eigensinn und seine Hartnäckigkeit. Immer wieder hatte er sich gegen die
Behörden gewehrt, die ihm Wasser und Strom entzogen und ihm auf alle mögliche
Weise versuchten, Steine in den Weg zu legen. So fuhr er sich das Wasser eben
in Kübeln hoch und mittlerweile erzeugte er sogar Solarstrom. Allein dreimal
hatte er auch das „Cruz de Ferro“ wieder aufgerichtet, das von Randalierern
abgesägt worden war.
    Es
gibt sehr widersprüchliche Meinungen zu dieser eher provisorischen Herberge,
die eben auch nur ein „Plumpsklo“ hat. Wer besonders originell und einfach
übernachten will, kommt hier bestimmt auf seine Kosten. Auch wenn mir danach
nicht der Sinn stand und mir die Gemeindeherbergen schon einfach genug waren,
hätte ich es schade gefunden, wenn dieses idyllisch gelegene winzige Bergdorf
völlig verlassen gewesen wäre. Die Berge von León werden von einer mächtigen
Felsbarriere gebildet, die die Maragateria von der
fruchtbaren Landschaft des Bierzo trennt. Normalerweise stellt der Pass hier
oben auch eine Wetterscheide dar, tatsächlich aber erwartete mich nach
Überwinden des Höhenzuges genau das gleiche sonnige, fast wolkenlose Wetter wie
auf der anderen Seite des Gebirges. Was hatte ich nur für ein
unwahrscheinliches Glück auf meinem Weg! Ich konnte es nicht oft genug
wiederholen. Von jedem Pass, den ich bisher überwunden hatte, war mir eine
herrliche Aussicht beschieden, selbst kurz nach dem Regen auf dem Erro-Pass!
Dies war noch am Anfang meiner Reise gewesen, als ich mit Martin unterwegs war.
Inzwischen war ich fast doppelt so hoch und mehr als zehnmal so weit gegangen.
Und was ich seitdem alles erlebt hatte!
    Meine
erhebenden, dankbaren Gefühle passten genau zu diesem schmalen, romantischen
Pfad in dem Hochgebirge und dem weiten, wunderbaren Blick in ein neues Tal.
„Diese (fast) unerträgliche Leichtigkeit des Seins“, kam es mir in den Sinn.
Hier oben wurde der bekannte Ausspruch lebendig. Mir schien, als hätten die
Natur und die Landschaft nur auf mich gewartet, um mich

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