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Das Leben in 38 Tagen

Das Leben in 38 Tagen

Titel: Das Leben in 38 Tagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Scheidecker
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Decke und lernten fleißig, die zwei
schnarchenden italienischen Männer hatten sich leider auch hier erfolgreich
nach einem Bett angestellt, ein englisches Ehepaar, wovon der Mann krank zu
sein schien, noch ein deutsches älteres Ehepaar, das Paar aus Puerto Rico,
Chris aus Australien, der sich mit Annemarie unterhielt und dann mit ihr zu Abend
essen ging, während ich nach Hause telefonierte...
    Ich
beschloss, nicht ins Restaurant essen zu gehen, und verzehrte lieber im Garten
meine Vorräte. Dabei setzte sich ein junger Deutscher zu mir, mit dem ich mich
erstaunlich gut über alles Mögliche unterhalten konnte. Wieder einmal stellte
ich fest, dass man Menschen nicht vorschnell (oder wohl besser überhaupt nicht)
beurteilen sollte. Ich hatte ihn und „seinen Vater“ beim Anstehen an der
Herberge als überhebliche, typisch deutsche Vordrängler eingeschätzt, weil sie
als Letzte ankamen und auf einmal vor mir anstanden. Nun stellte sich heraus,
dass der Siebzigjährige weißhaarige Mann nur ein Einzelpilger war, an den sich
der junge Mann unterwegs angeschlossen hatte. Die beiden verstanden und
ergänzten sich so gut, dass sie den Weg bis zum Ende zusammen laufen wollten,
wobei einer den anderen mitzog. Philipp, wie der junge Mann hieß, kochte zum
Beispiel immer vegetarisch für beide. Der Ältere organisierte den Tagesplan,
stand sehr früh auf und lief in flottem Tempo, so dass die beiden täglich etwa
vierzig Kilometer zurücklegen konnten. „Ohne ihn würde ich das nicht schaffen;
ich würde nicht mal so früh aufstehen allein!“, sagte Philipp überzeugt.
    Als
die Sonne dann unterging und ich in den Schlafsaal kam, lagen die beiden schon
in ihren Betten und schliefen. Ich hatte nicht gedacht, dass sie so nette und
aufgeschlossene Menschen waren, mit denen man interessante Gespräche führen
konnte
    Der
einzige Wermutstropfen heute blieb die fehlende Sonntagmesse. Die versprochenen
jungen Benediktinermönche in dem Kloster nebenan, das seit 2001 wieder
existierte, waren nämlich gerade nicht anwesend, schade! Und die Kirche selbst
war auch verschlossen, wie so oft.
    Aber
ansonsten war es wieder ein herrlicher Tag gewesen. Ich hatte viele nette
Menschen kennen gelernt, das Wetter, die Landschaft, selbst der kleine Ort
Rabanal, der wie eine Mistel am Baum am steilen Berghang klebte, waren einfach
nur wunderschön. Ich konnte verstehen, dass Hape Kerkeling in diesem Dorf zwei Nächte geblieben war! Überhaupt musste ich öfter
an ihn denken und versuchte mir vorzustellen, wie er dies und das empfunden und
erlebt hatte. Sein Buch hatte mich schon sehr beeindruckt, und wenn ich es
nicht gelesen hätte, wer weiß, ob ich dann jemals diesen Weg gelaufen wäre...
Danke, Hape ! Und danke, lieber Gott!
    Morgens
erwachte ich stets als eine der Ersten und dann genoss ich es immer, noch ein
bisschen liegen zu bleiben und den anderen beim Rucksackpacken zuzusehen. Ich
mochte es nicht, in dem Gewühle herumzurennen und im Halbdunklen nach meinen
Sachen zu suchen. So wartete ich immer, bis die meisten Pilger schon weg waren,
um mich dann in Ruhe fertig zu machen. Es war noch dunkel, als sich Philipp und
sein weißhaariger Begleiter von mir verabschiedeten. Auch der alte Italiener,
der unter mir geschlafen hatte und augenscheinlich sehr viel Pilgererfahrung
und Lebensweisheit hatte, machte sich mit ihnen auf den Weg. Er war schon
bekannt hier und wurde von den Hospitaleros mit sehr
viel Respekt behandelt. Ich hätte mich auch gern mit ihm unterhalten, aber er
war ständig von anderen Pilgern umringt gewesen. Gestern Abend hatte er sogar
für einige Pilger Spaghetti mit Tomatensoße gekocht und ich hatte mich nicht
dazwischendrängen wollen. Ebenso wie im normalen Leben schafft man es nicht
immer, mit allen Menschen, die man interessant findet, in Kontakt zu kommen.
Ich hatte den Eindruck, dass mich der alte Mann erst an diesem Morgen im
Halbdunkel so richtig wahrnahm. Wir verabschiedeten uns mit einem Lächeln, das
eigens für den anderen gedacht war (zumindest hatte ich diesen Eindruck). „Buen
camino, ihr bekannten und unbekannten Pilgerbrüder! Mögt ihr alle das auf dem
Weg finden, was ihr sucht!“, dachte ich, „und ich hoffentlich auch!“

23.
Das „Geisterdorf“ Foncebadón und der höchste Punkt des Camino
     
    Nach
einem kurzen Frühstück in der kleinen Küche, das von den englischen Frauen
liebevoll vorbereitet worden war, lag nun eine besondere Etappe vor mir. Ich
würde heute den Pass mit dem Steinkreuz

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