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Das Leben in 38 Tagen

Das Leben in 38 Tagen

Titel: Das Leben in 38 Tagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Scheidecker
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Sonnenstrahlen versuchten schon, die Erde zu
berühren. Heute war Dienstag, mein viertletzter Wandertag! Ich war guter Dinge
und gönnte mir erst einmal ein Frühstück in einer kleinen Bar, vor deren Tür
mich das Schild „ Desayunos “ (Frühstück) anlachte.
Hier saßen nur drei Männer und eine Frau in blauen Arbeitsanzügen, die
ebenfalls frühstückten. Der Wirt brachte mir freundlich drei dicke Stücken
Weißbrot, welche mit Butter bestrichen und anschließend aufgebacken worden
waren, so dass sie von Fett trieften. Ich bestrich sie mit Marmelade und es
schmeckte köstlich! Obwohl ich schnell satt war, aß ich alles auf, denn
schließlich brauchte ich ja Energie und wer weiß, wann es wieder etwas zu essen
gab! Ich dachte daran, dass Sonja immer schimpfte, weil sie auf dem Weg nicht
abnahm, wo sie das doch so gern erreichen wollte. Ich dagegen hatte wirklich
bestimmt zwei Kilo abgenommen, denn meine Hosen saßen recht locker und das,
obwohl ich gut aß! Auch meine Beine erschienen mir deutlich straffer! Ein
schöner Nebeneffekt der ganzen Plackerei für mich!
    Der
Wirt in mittleren Jahren und seine Frau, die gerade aus der Küche kam, sehr
abgearbeitet aussah und bei der mir auch wieder Zahnlücken auffielen, freuten
sich, dass es mir schmeckte. Wieder einmal empfand ich die unaufdringliche
Herzlichkeit der Spanier und bereute es einmal mehr, dass ich kein Spanisch
konnte. So sagte ich nur, dass es mir sehr gut geschmeckt hatte, bedankte mich
und verabschiedete mich. Wenigstens das konnte ich auf Spanisch sagen: „ Desayuno muy bien , muchas gracias , adiós!“ Und das
abschließende „Buen camino!“ konnte man nicht oft genug hören.
    Der
Camino führte nun leicht bergab mitten durch das noch verschlafene Städtchen,
an einer reich verzierten alten Kirche vorbei, über eine große Steintreppe
hinunter bis auf den Marktplatz, vorbei an der anderen Herberge und dem
Restaurant von gestern Abend und weiter durch kleine Gassen mit schön
restaurierten alten Bürgerhäusern und Blumen vor den Fenstern, bis ich mich
schließlich auf einem schmalen Feldweg außerhalb des Ortes wiederfand. Warme
Sonnenstrahlen hatten inzwischen den Nebel besiegt, dessen letzte Reste sich
über dem nahen Wald als weiße, durchsichtige Schleier in den strahlend blauen
Himmel verflüchtigten. Die Vögel schienen meine Freude über diesen herrlichen
Tag und die vor mir liegende traumhafte Berg- und Tallandschaft zu teilen, denn
sie zwitscherten in den höchsten Tönen. Aus dem nahen Wald lockte ein Kuckuck.
    Und
ich war allein! Obwohl in Palas de Rei so viele
Pilger übernachtet hatten, schienen sie nun alle schon vorausgeeilt zu sein.
Das brachte mein Herz zum Schwingen. Als ich eine Weile durch diesen herrlich
grünen Wald gegangen war, fühlte ich mich plötzlich wie in eine Märchenwelt
versetzt. Das, was ich gestern schon in einer Andeutung empfunden hatte, wirkte
heute ganz intensiv. Ich befand mich nun in einem grünen Laubtunnel, durch den
die Sonnenstrahlen wie lange Gold- und Silberfäden blitzten. Wie feine seidige
Bahnen, die vor mir die Erde berührten und auf denen winzige Elfen und Kobolde
tanzten. Dieses Funkeln und Blitzen wurde noch verstärkt durch die spiegelnden
Lichtreflexe in den kleinen Bächlein und Quellen, die oftmals den Pfad
durchquerten oder rechts und links vorbeiplätscherten.
    Auf
großen Steinen balancierte ich über das muntere Wasser, stieg über glatte
braune Wurzeln der uralten, mit Efeu bewachsenen Bäume und staunte. Meterhoher
Farn durchzog das Unterholz und die knorrigen, mächtigen Eichen wirkten wie die
Kulisse in einem Fantasyfilm . Ich fühlte mich wie in
einem Zauberwald, ganz allein mit den Vögeln und der Natur. Ganz langsam lief
ich den grün bemoosten Pfad weiter nach oben, bis ich an eine Lichtung kam. Der
Blick war malerisch! Voller Harmonie, Licht und unglaublicher Schönheit! Vor
mir lag eine üppige Wiese, reichlich getupft mit bunten Feldblumen, im
Hintergrund sah man dunkle Berge und grüne Täler in sanftem Wechsel, dazwischen
blühende Bäume und vereinzelte Gehöfte und Dörfer.
    Und
plötzlich wusste ich es: Das war das Glück! In diesem Moment empfand ich das so
intensiv wie noch nie in meinem Leben. Ich hatte immer geahnt, dass das Glück
nur aus Augenblicken besteht, aber in diesem Moment wusste ich es!
    Ich
erfuhr in diesem Augenblick die tiefe Weisheit des Lebens, ich erlebte sie:
Glück kann man nicht festhalten, man kann es nur selbst erleben, wenn man sich
öffnet

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