Das Leben in 38 Tagen
der Mönche
vielleicht gesucht und deshalb bekommen? Jemand hatte einmal gesagt, dass jeder
das auf dem Weg finden würde, wonach er sucht. Was suchte ich? Gelassenheit?
Gelassene Menschen wie Aghi ?
Abends
ging ich mit Elisabeth und Maria in die Stadt zum Abendessen. Dies stellte noch
einmal einen zusätzlichen Weg von mehr als einem Kilometer dar und nun spürte
ich meine Füße wieder sehr. Am Abend waren sie immer so dick geschwollen, dass
mir selbst die ausgelatschten Joggingschuhe zwei Nummern zu klein erschienen.
Aber der Weg in die Stadt lohnte sich. In einem gut besuchten kleinen
Restaurant auf dem Marktplatz drängten sich die Menschen, aber als alle zusammengerückt
waren, gab es eines der besten Pilgermenüs des ganzen Weges.
Ich
war froh, meinen inneren Schweinehund überwunden zu haben und die zwei
Kilometer zusätzlich gelaufen zu sein. In dem Restaurant trafen wir wieder
einige Bekannte, darunter Sonja aus der Nähe von Leipzig und Debbie aus Kanada
mit ihrem holländischen Freund. Sonja freute sich sehr, mich wiederzusehen, und
erzählte dabei so lautstark und mit schallendem Lachen, dass sie sämtliche
Aufmerksamkeit in der Gaststätte auf sich zog, was uns nicht sehr angenehm war.
Die kleine Sächsin war in der anderen Herberge mitten im Ort untergekommen,
denn sie musste ja immer dort sein, wo etwas los war. So erzählte sie uns unter
anderem die Geschichte des „Liebespaares“ des Camino und dabei konnte ich mich
des Gefühls nicht erwehren, dass sie sich nach Aufmerksamkeit und vor allem
auch nach einem „Freund“ sehnte...
Der
Holländer wollte den Camino laufen, um sich über seine berufliche Zukunft klar
zu werden. Er hatte eine leitende Stellung in einer Bank und war es leid, sich
immer nur um materielle Dinge kümmern zu müssen. Geld allein macht eben doch
nicht glücklich, aber zu Hause warteten eine Frau und drei Kinder. Da war wohl
mit dieser scheinbar ungewollten Liebesbeziehung das Unglück vorprogrammiert. Einer
würde auf jeden Fall leiden müssen, wie immer in einer Dreiecksbeziehung. Es
gibt kein Glück, ohne dass man dafür bezahlen muss. Also waren die beiden mit
den leuchtenden Augen, die sich so intensiv auf Englisch unterhielten und
glücklich lachten, doch nicht zu beneiden, denn zumindest das vorläufige Ende
stand schon in der Ecke und grinste hämisch...
Dazu
fiel mir eine Geschichte ein, in der ein Mann ebenfalls in einer
Dreiecksbeziehung zu der Frau, die ihn liebte, zum Abschied sagte: „Träume und
Wünsche müssen manchmal sterben wie Blumen im Winter. Aber ihre Samen überleben
bis zum nächsten Frühling!“ - Welche Samen er wohl damit gemeint hatte und zu
wie vielen Frauen er das wohl schon gesagt hatte? Ob Frauen auch so etwas zu
einem Mann sagen würden? Und geht es dabei nicht vor allem um Vertrauen? Kann
Vertrauen als Samenkorn überleben und gibt es überhaupt einen neuen Frühling?
Komisch, dass mir diese Gedanken gerade jetzt durch den Kopf gingen...
Als
ich mit Elisabeth und Maria später wieder in die Herberge zurückging, war es
schon dunkel und die meisten Pilger schliefen bereits. So setzte ich mich in
die neue, provisorische Küche, wo alles glänzte, es aber außer einem
Wasserkocher und ein paar Gläsern weder Töpfe noch Besteck oder Geschirr gab,
und schrieb ein paar Zeilen über den vergangenen Tag in mein Heft.
Währenddessen saß ein junges Pärchen vor der Küchentür auf Decken im Flur und
unterhielt sich leise. Als ich aufstand, sah ich, warum sie gerade hier saßen,
obwohl in den beiden Schlafräumen noch genügend Platz war. Ein kleiner Hund lag
von einer Decke fast verhüllt, so dass kaum mehr als die Ohren und die sanften
braunen Augen hervorlugten, neben ihnen. Die beiden trauten sich wohl nicht,
ihn mit zu den anderen Pilgern hineinzunehmen, aber da hier niemand aufpasste,
hatten sie ihn doch wenigstens im Flur gelagert.
Als
ich in der Nacht zur Toilette musste, lag der Hund allein friedlich schlafend
in der Ecke. Seine Herrschaften hatten sich wohl doch ein Bett gesucht. Am
nächsten Morgen sah ich ihn dagegen freudig bellend durch die Räume rennen und
keiner beschwerte sich. Das anscheinend spanische Pärchen gehörte zu den
Letzten, die die Herberge verließen, und man sah ihnen an, wie froh sie waren,
dass sie hier drin zusammen mit dem Hund hatten übernachten können und nicht
draußen frieren mussten.
Der
Morgen heute erschien noch etwas dunstig nach dem gestrigen Regen- und
Sonnentag, aber die ersten
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