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Das Leben in 38 Tagen

Das Leben in 38 Tagen

Titel: Das Leben in 38 Tagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Scheidecker
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Debbie war ich anschließend in der
ergreifenden Pilgermesse gewesen, in der uns ein herzlicher Mönch für den
ganzen Weg gesegnet hatte, und nun lag schon fast alles hinter uns! Ich war
total gerührt, Debbie noch einmal zu treffen, denn wir hatten uns nicht einmal zwischendurch
gesehen. Das war schon ungewöhnlich. Sie erzählte, dass sie große Probleme mit
ihren Füßen gehabt hatte. Ihre Zehen waren durch zu enge Schuhe so entzündet,
dass sie kaum noch laufen konnte. Doch auch bei ihr gab es Glück im Unglück,
denn sie hatte einen gut aussehenden Holländer an ihrer Seite, der sich rührend
um ihre Füße kümmerte. Beim anschließenden Verbinden auf der Fensterbank sah
ich, dass sich unter ihrem linken großen Zehennagel eine riesige Blutblase
gebildet hatte. Der Nagel war schon ganz blau. Dass sie überhaupt noch damit
laufen konnte! War das echter Pilgergeist oder Liebe? Zwischen den beiden
schien es gefunkt zu haben. Das würde mich sehr für sie freuen. Sie schien
jedenfalls glücklich zu sein und ich verabschiedete mich herzlich.
    Aghi war inzwischen losgegangen und
ich war wieder einmal eine der Letzten in der Herberge, aber dafür hatte der
Regen nun fast aufgehört. Der Himmel war zwar noch voller dunkler Wolken, aber
ich konnte erst einmal ohne Regencape losgehen und hatte es nur in
„Bereitschaft“ an die oberste Stelle im Rucksack gepackt. Das war der Nachteil,
wenn sich Regen und Sonne abwechselten; man zog ständig das Regencape aus und
an, weil man unter dem Cape beim Laufen natürlich schwitzte. Bei Dauerregen
aber hatte sich das Cape als sehr guter Regenschutz erwiesen, ebenso als
zuverlässiger Wind- und Kälteschutz.
    Über
eine lange Fußgängerbrücke verließ ich das alte, im See versunkene Portomarín
mit seiner modernen Nachfolgerin auf dem Hochufer, wo ich so viele Bekannte getroffen
hatte. Ich warf noch einen letzten Blick über den
heute Morgen dunkel-grauen See, aus dem sich nun weiße Nebelfetzen zu den tief
hängenden Wolken empor hangelten. Nicht weit hinter der Brücke begann der Wald.
Zu meiner Freude führten die gelben Pfeile genau dort hinein. Dichter Laubwald
mit uralten, efeubewachsenen Bäumen und von sattem Regen glänzendem Grün umfing
mich. Das sanfte Auf und Ab auf weichem Sandboden machte das Laufen leicht und
so fühlte ich mich auch: leicht und frei. Meine Füße machten nun wieder
erstaunlich gut mit, nur meine Beine merkte ich langsam. Heute lief ich den 33.
Tag ohne Unterbrechung. Ein Lob meinem Körper!
    Seit Sarrià waren nun alle 500 Meter Meilensteine aus
hellem Granit und mit einer eingeprägten Muschel aufgestellt, die die Kilometer
bis Santiago anzeigten. Ein komisches Gefühl, jeden halben Kilometer die
ständig abnehmende Entfernung zu lesen. Noch 88 Kilometer, noch 87,5 Kilometer,
87 Kilometer... Die Freude und Spannung auf Santiago, auf das große Ziel meiner
Reise, wuchs mit jedem halbem Kilometer. Auch die Gedanken an zu Hause
ergriffen immer wieder von mir Besitz. Ich hatte das Gefühl, mich noch nie so
sehr auf zu Hause gefreut zu haben. Lag das an dem Gespräch gestern Abend?
    Die
galicische Landschaft war herrlich zum Wandern. Ständig veränderte sich der
Blick, da es in schöner Regelmäßigkeit leicht bergauf und bergab ging. Von
Wasser durchzogener alter Laubwald, der mit seinen knorrigen Eichen wie ein
Zauberwald anmutete, wechselte sich mit jungem Nadelwald, Wiesen und Feldern
ab. Immer wieder führte der Weg dabei auch durch die kleinen, verstreut
liegenden Dörfer mit schmalen Kuhmiststraßen und frei laufenden Hühnern, Hähnen
und Gänsen. Hier roch es nicht nach herrlichem Wald, sondern eindeutig nach
Kuhmist und Gülle. Aber mich störte das nicht; das gehörte auch zur Natur. Von
klein auf hatte ich gern Urlaub auf dem Dorf gemacht. Auch wenn ich die Tiere
lieber aus etwas Entfernung sah, so hatte ich doch zum Beispiel die Heuernte
sehr geliebt. Vielleicht war es auch der gleichmäßige Rhythmus der ständig
wiederkehrenden Arbeit der Bauern, die zwar oft hart war, aber trotzdem in
ihrer Berechenbarkeit für mich immer etwas Beruhigendes ausstrahlte.
    In
einem dieser Dörfer kehrte ich in einer Bar ein und dort traf ich Aghi und Pascale aus Frankreich.
Wie immer war Aghi bester Laune und lud mich gleich
an ihren Tisch ein. Obwohl die beiden schon fast fertig mit Essen waren,
bestellte Aghi nun eine Flasche guten Rotwein sowie
verschiedene Arten von selbst gemachtem Ziegenkäse. Es war immer köstlich zu
beobachten, wenn Aghi dem

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