Das Leben ist ein listiger Kater. Roman
Alter erreicht habe, in dem die brettharten Brustmuskeln sich in Hängebrüste verwandeln, in dem der Bauch beginnt, die Geschlechtsteile zu bedecken, und die stolzen kleinen Klöten, einst so fest umschlossen von ihrem Sack, zu zwei schweren Glockenschwengeln geworden sind, die nach einem Suspensorium schreien.
Es muss noch Steigerungsmöglichkeiten geben. Noch mehr Haarausfall. Zwei oder drei Zähne verlieren.
Verfall und Niedergang.
So weit war ich mit meiner Bestandsaufnahme gekommen, als ich plötzlich die Stimme der Rotzgöre hörte: »Ich nehm mir den Computer, alles in Ordnung, ich brauch nicht lange!«
Ich habe aus dem Badezimmer geschrien: »He! He, hallo! Nein-nein-nein!«, mir schnell etwas übergeworfen und die Tür aufgerissen.
Zu spät. Sie war schon weg, die kleine Mistkröte.
Ich habe nach der Krankenschwester geklingelt und die nötige Szene gemacht: Skandal, Empörung, Zorn.
»Aber
welches
Mädchen denn?«
Sie wirkte genervt. Das war doch die Höhe. Ich beschrieb die Göre, so gut ich konnte.
»Ach die, ja, das sagt mir etwas. Ich werde mich mal erkundigen.«
Ich wollte nicht, dass sie sich erkundigte, ich wollte nur, dass sie das Luder mit den Ponyfransen wiederfand, es abmurkste und mir seinen Kopf und meinen Computer zurückbrachte.
Sie schnaubte laut, ohne zu verhehlen, dass mein Missgeschick sie völlig kaltließ.
»Wissen Sie, in Krankenhäusern kommt es vor, dass Sachen gestohlen werden …«
Eine kühne Feststellung, die uns ungemein weiterbrachte.
»Ich behaupte nicht, dass es sich um einen
Diebstahl
handelt«, sagte ich. »Das Mädchen hat sich ohne meine Erlaubnis meinen Computer genommen, während ich im Bad war. Sie hat gesagt, sie würde sich ihn ausleihen.«
»Ach so? Na, in dem Fall …«
Ich sah in ihren Augen etwas Vorwurfsvolles aufblitzen. Sie dachte offensichtlich: »Wenn sie ihn sich geliehen hat, wo ist dann das Problem?« Ja, wo war eigentlich das Problem?
Ich kam mir plötzlich alt vor. Lächerlich. Ohnmächtig. Nichts wirklich Neues, letztlich.
Die Göre war nach zwei Stunden wieder da. Sie platzte herein, ohne anzuklopfen, stellte mir den Computer auf den Nachttisch und meinte mit einem breiten Lächeln: »Sooo, alles erledigt!«
Da sie sofort wieder gehen wollte, stellte ich mit ein paar wohlgesetzten Worten klar, dass die Sache für mich keineswegs erledigt war. Dass ich diese Vorgehensweise ganz und gar nicht schätzte und es nicht in Frage kam, dass sich ein solcher Leihvorgang wiederholte.
Sie schaute mich etwas überrascht an. Etwas dämlich auch: »Hä?«
Ich passte meinen Ton meinem Gegenüber an.
»Lass es dir nicht einfallen, noch einmal in mein Zimmer zu kommen und diesen Computer anzurühren, klar?«
»Aber warum denn?«
Das kam aus tiefstem Herzen.
»Versuch gar nicht erst, es zu verstehen. Mach einen weiten Bogen um mein Zimmer und setz den Fuß nicht mehr über meine Schwelle.«
Sie stand zwei oder drei Sekunden stumm da, das Gesicht ganz zerknittert – wahrscheinlich vom Nachdenken. Dann ließ sie in einem Affenzahn und in einer unglaublichen Sprache, wahrscheinlich Neufranzösisch, eine Tirade vom Stapel, von der ich nicht alles verstanden habe.
Ich konnte nur ein paar Fetzen aufschnappen: Is ja gut! Alles klar! Is-ja-schon-gut-Mann! Dazwischen ein paar Schimpfwörter und Lautmalereien. Das Ganze lief etwa darauf hinaus: Ich sollte mal cool bleiben, schon gut, Mann, es gäbe keinen Grund, sie so zur Sau zu machen, was soll’n das, es wäre ja bloß ein Computer, is-ja-gut-Mann, Scheiße.
Je länger ich sie anschaute, desto hässlicher fand ich sie, dick, abstoßend, zu viel Busen für ihre Größe, fettige, ungekämmte Haare und ein hausgemachtes Piercing in der Unterlippe. Natürlich nicht ganz in der Mitte.
Und von diesem Troll ließ ich mich abkanzeln.
Da entgleiste ihre Stimme plötzlich, sie ließ sich auf den Stuhl neben meinem Bett fallen und fing an zu heulen, nur noch ein Häufchen Elend, das Gesicht zwischen den Patschhändchen mit den abgebissenen Fingernägeln, die aparterweise dunkelblau lackiert waren.
Ich wandte mich wieder meinem Buch zu, bis die Sintflut aufhörte. Weinende Mädchen kann ich nicht ertragen. Ich wünsche mir dann immer, ich könnte den Ton abschalten. Und dieses spezielle Mädchen ging ziemlich weit in Sachen Lärmbelästigung. Sie röhrte wie ein junger Damhirsch und schniefte in einer Art, dass anzunehmen war, sie könnte ein Taschentuch gebrauchen. Ihre Schultern zuckten
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